Das wirtschaftliche Problem aus islamischer Sicht und
seine Lösungsmöglichkeiten
Was ist “das wirtschaftliche Problem“?
Alle geistigen Strömungen, die sich mit
dem wirtschaftlichen Bereich beschäftigen, sind sich einig,
dass es im wirtschaftlichen Leben ein Problem gibt, mit dem
man fertig werden muss, und sie unterscheiden sich – im
Folgenden – hinsichtlich der Definition der Natur dieses
Problems und der allgemeinen Methode, es anzugeben. So glaubt
die kapitalistische Weltanschauung mit Blick auf die
Begrenztheit der Natur, dass das wirtschaftliche Grundproblem
im verhältnismäßigen Mangel an natürlichen Ressourcen besteht;
denn weder die Erdoberfläche, auf der der Mensch lebt, noch
die vielfältigen in der Erde verborgenen Reichtümer lassen
sich vermehren, während die vitalen Bedürfnisse des Menschen
sich kontinuierlich weiterentwickeln, entsprechend dem
Fortschritt und dem Aufblühen der Zivilisation, was die Natur
unfähig machen soll, allen diesen Bedürfnissen jedes einzelnen
Menschen nachzukommen. Dies führe unter den Individuen zum
Konkurrenzkampf um die Befriedigung ihrer Bedürfnisse, wodurch
das “wirtschaftliche Problem“ entstehe. Das “wirtschaftliche
Problem“ besteht also nach kapitalistischer Sichtweise darin,
dass die natürlichen Ressourcen des Reichtums nicht mit der
Zivilisation Schritt halten können, d.h. nicht die
Befriedigung aller Bedürfnisse und Wünsche, die im Laufe der
Weiterentwicklung der Zivilisation neu entstehen,
gewährleisten können. Und der Marxismus vertritt die Ansicht,
dass das “wirtschaftliche Problem“ immer in dem Problem des
Widerspruchs zwischen Produktionsweise und Verteilungssystem
besteht. Befinden sich diese beiden aber im Einklang
miteinander, herrsche Stabilität im wirtschaftlichen Leben,
welcher Art die Gesellschaftsordnung, die sich aus der
gegenseitigen Abstimmung von Produktionsweise und
Verteilungssystem ergibt, auch sein mag.
Der Islam hingegen schließt sich nicht
der Auffassung des Kapitalismus an, das Problem sei das der
Natur und ihres Mangels an Ressourcen, weil er glaubt, dass
die Natur sehr wohl in der Lage ist, allen Bedürfnissen, deren
Nichtbefriedigung zu wirklichen Schwierigkeiten im
menschlichen Leben führen würde, gerecht zu werden. Ebenso
wenig glaubt der Islam, das Problem bestünde in dem
Widerspruch zwischen Produktionsweise und Verteilungssystem,
wie es der Marxismus behauptet. Das Problem ist – vor allen
Dingen – das Problem des Menschen selbst, nicht der Natur und
nicht der Produktionsweise. Dies stellt der Islam mit
folgenden Sätzen aus dem Heiligen Qur´an fest:
„Allah ist es, der die Himmel und
die Erde für euch erschuf und Wasser vom Himmel herabgesandt
hat, um ihre Früchte zu eurem Lebensunterhalt hervorzubringen.
Und Er machte euch die Schiffe dienstbar, damit ihr nach
Seinem Befehl auf dem Meer fahrt, und die Flüsse, und die
unermüdliche Sonne und den Mond, und die Nacht und den Tag,
und Er gab euch alles, worum ihr ihn batet. Und wenn ihr die
Wohltaten Allahs zählen wollt, so gelingt es euch nicht.
Wahrlich, der Mensch ist sehr ungerecht und undankbar.“
Diese edlen Sätze stellen klar, dass
Allah der Erhabene dem Menschen in dieser weiträumigen Welt
alles, was gut und nützlich für ihn ist, angehäuft und ihm
reichliche Ressourcen zur Erleichterung seines Lebens und zur
Befriedigung seiner materiellen Bedürfnisse zur Verfügung
gestellt hat aber der Mensch durch seine Ungerechtigkeit und
seine Undankbarkeit die Gelegenheit, die Allah ihm gewährt,
zunichte macht: „Wahrlich, der Mensch ist frevelhaft und
undankbar.“
Die Ungerechtigkeit des Menschen in seinen Handlungen und
seine Undankbarkeit gegenüber den göttlichen Wohltaten sind
also die beiden Grundursachen des “wirtschaftlichen Problems“
im Leben des Menschen.
Die Ungerechtigkeit des Menschen
verkörpert sich auf wirtschaftlicher Ebene in Form schlechter
Systeme der Verteilung von Gütern, und die Undankbarkeit
gegenüber Allahs Wohltaten in Form von Vernachlässigung der
(konstruktiven) Nutzung der Natur und einer negativen Haltung
ihr gegenüber. Wenn also die Ungerechtigkeit in den sozialen
Beziehungen, welche die Verteilung von Gütern regeln,
eliminiert wird, und alle Kräfte des Menschen zur Nutzung und
Ausbeutung der Natur mobilisiert werden, gibt es auf der
wirtschaftlichen Ebene kein wirkliches Problem mehr. Der Islam
verbürgt die Eliminierung von Ungerechtigkeit durch die
Lösungen, die er für das Problem der Verteilung und des
Austausches von Gütern anbietet, und er schafft Abhilfe für
das Problem der Undankbarkeit mit den Konzepten und
Bestimmungen, die er für den Bereich der Produktion einführte.
Wir werden im Folgenden erläutern, was
nach islamischer Sichtweise mit den erstgenannten Ursachen der
sozialen Frage im Zusammenhang steht, nämlich die
Ungerechtigkeit auf dem Gebiet der Güterverteilung und des
Warentausches. Mit der Haltung des Islam gegenüber der zweiten
Ursache des Problems, nämlich der Undankbarkeit des Menschen
für die Wohltaten Allahs, werden wir uns in einem späteren
Kapitel befassen,
in dem wir die islamische Einschätzung von Produktion
allgemein und seine diesbezüglichen Bestimmungen und Konzepte
darlegen.