Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Politisches Element beim Eigentum am Land

Nunmehr, wo wir die wirtschaftliche Theorie des Islam über das Land umfassend erläutert haben, müssen wir noch das politische Element aufzeigen, das sich hinter der allgemeinen Einstellung des Islam zum Land verbirgt. Der Islam erkennt neben der Neukultivierung, die ihrer Natur nach eine wirtschaftliche Handlung ist, auch noch eine politische Handlung als Bedingung für Landbesitz an. Die politische Handlung, die konkrete Folgen für das Land hat, und die demjenigen, der sie ausführt, zu einem persönlichen Recht daran verhilft, besteht darin, das Land dem Territorium des Islam anzugliedern, es am Leben der islamischen Umma effektiv teilnehmen zu lassen, und dieser sein materielles Potential zur Verfügung zu stellen. In der Tat geht jede effektive Einbeziehung des Landes in das Leben der islamischen Umma und die Bereitstellung seines materiellen Potentials entweder auf eine wirtschaftliche Ursache zurück, nämlich auf die Arbeit der Neukultivierung, die jemand auf Land innerhalb des islamischen Territoriums verwendet, damit es von Leben erfüllt wird und an der Produktion teilnimmt, oder – in anderen Fällen – auf eine politische Ursache, nämlich auf eine Handlung, die zur Eingliederung bereits belebten und kultivierten Landes in das Territorium des Islam führt. Jede dieser Handlungen wird im Islam in besonderer Weise gewürdigt.

Die Handlung, die zur Eingliederung belebten und kultivierten Landes in das islamische Territorium führt, kann zweierlei Art sein; denn einmal kann das Land von dem Heer, das mit der Ausbreitung der islamischen Religion beauftragt ist, in der Anstrengung [dschihad] erobert werden, und in anderen Fällen können sich die Landbesitzer ohne Not freiwillig zum Islam bekehren. Wenn die Eingliederung des Landes in das islamische Territorium und seine Einbeziehung in das islamische Leben ein Ergebnis von Eroberung war, dann gilt die politische Handlung als Handlung der ganzen Umma, nicht als Tat irgendeines Einzelnen; daher geht das Land in den Besitz der Umma über und das Prinzip des gemeinschaftlichen Eigentums kommt zur Anwendung. Und wenn die Annektierung des kultivierten Landes und seine Einbeziehung in das islamische Leben auf dem Wege der Bekehrung seiner Besitzer erfolgte, dann liegt eine politische Handlung von Einzelpersonen vor, nicht eine Handlung der gesamten Umma; daher erkennt der Islam in diesem Fall deren Rechte an dem kultivierten Land an, als dessen Besitzer sie sich zu Islam bekehrten, und erlaubt ihnen, es zu behalten.

Somit erkennen wir, dass die politische Handlung ein Rolle bei der allgemeinen Einstellung des Islam zum Land spielt, aber sie nimmt ihm nicht den Charakter des kollektiven Eigentums, wenn es eine kollektive Handlung ist, an der die einzelnen Mitglieder der Umma in verschiedener Weise beteiligt sind, wie die Eroberung nichtmuslimischen Territoriums, vielmehr wird das Land dann zum gemeinschaftlichen Eigentum der Umma. Und das gemeinschaftliche Eigentum der Umma stimmt im Kern und in seiner sozialen Bedeutung mit dem Eigentum des Staates überein, auch wenn das staatliche Eigentum allgemeiner und umfassender ist, weil das Eigentum der Umma, obschon allgemein im Rahmen der Umma, doch auf jeden Fall speziell derselben vorbehalten ist, so dass es nur für deren allgemeine Interesse genutzt werden darf; dagegen kann der Imam das Eigentum des Staates in einem weiter gefassten Rahmen nutzen.

Die politische Handlung der Gemeinschaft hinsichtlich der kultivierten Ländereien, die von den Muslimen erobert werden, schafft also für diese einen Status in islamischen Rahmen anstelle eines umfassenderen menschlichen Rahmens, aber sie nimmt ihnen keineswegs den Charakter des kollektiven Eigentums. Dieser Status wird nur dann verändert, und auf das Land das Prinzip des Privateigentums angewendet, wenn die politische Handlung in der Willensentscheidung einzelner Personen bestand, wie beim freiwilligen Übertritt zum Islam einzelner Landbesitzer.

Wir stellen fest: Der grundsätzliche Bereich für privates Eigentum an der Kontrolle über das Land ist in der islamischen Gesetzgebung jener Kategorie von Land vorbehalten, die bereits Eigentum gewisser Personen war – entsprechend den jeweiligen Gesellschaftssystemen, unter denen sie vor der Expansion des Islam lebten – die später die Einladung zum Islam [dawa] erhört haben und freiwillig zum Islam übertraten, ... deren Eigentum respektiert das islamische Recht [scharia] und überlässt ihnen ihr Vermögen.

In anderen als diesen Bereichen gilt das Land immer als Eigentum des Imam, und das islamische Recht [scharia] erkennt die Aneignung der Kontrolle darüber durch eine Einzelperson nicht an; der Einzelne kann lediglich ein persönliches Anrecht auf das Land erlangen, indem er es kultiviert und nutzbar macht, wie das anhand der Rechtsmeinung des Scheich Tusi schon aufgezeigt wurde. Wenn sich dieses Recht in unserer erlebten Realität in der Praxis auch nicht vom Eigentum unterscheidet, so doch in der Theorie, denn solange jemand nicht Eigentümer der Kontrolle über das Land ist und es nicht dem Bereich des Eigentums des Imam entzogen hat, kann ihm der Imam eine Steuer auferlegen, wie das Scheich Tusi feststellt. Und wir brauchen uns jetzt nicht über die Praxis dieser Steuer zu äußern, denn es gibt bestimmte Überlieferungen, die deren Aufhebung unter Ausnahmebedingungen legitimieren, auch wenn sie sie theoretisch sanktionieren.

Das islamische Recht [scharia] erkennt also auf theoretischer Ebene das private Eigentum an der Kontrolle über das Land nicht an, außer im Rahmen ihrer Respektierung solchen Grundeigentums, das fest etabliert war, bevor es durch die freiwillige Bekehrung oder friedliche Unterwerfung der Eigentümer dem Territorium des Islam angegliedert wurde. Wir können mit Leichtigkeit plausible politische Gründe für diese Respektierung von Eigentum finden, wenn wir sie mit den Erwägungen der Einladung zum Islam [dawa] und deren wesentlichen Anliegen in Verbindung bringen, anstatt mit dem wirtschaftlichen Gehalt der islamischen Einstellung zum Land. Denn es ist notwendig, diejenigen, die sich als Landbesitzer freiwillig zum Islam bekehren oder sich friedlich dem Herrschaftsbereich des Islam angliedern lassen, die Flächen, welche sie zu diesem Zeitpunkt kultivieren, zu belassen, und nicht von ihnen zu verlangen, diese dem Islamischen Staat, dem sie sich angeschlossen oder dessen Herrschaft sie sich untergeordnet haben, zu übergeben; andernfalls würde das ein großes Hindernis für die Einladung zum Islam [dawa] und deren Ausbreitung in verschiedenen Phasen darstellen. Und obwohl der Islam das Recht auf privates Eigentum an Land zugesteht, gewährt er es nicht in unbeschränkter Form, sondern macht es davon abhängig, dass jene Personen ihre Ländereien weiterhin nutzen und daran arbeiten, damit sie in das Leben der islamischen Gesellschaft einbezogen werden. Wenn sie das Land aber vernachlässigen, bis es verwahrlost, dann wird es nach der Meinung einer Anzahl von Rechtsgelehrten, wie Ibn al-Barradsch und Ibn Hamza wieder zum Eigentum der Umma.

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