Theorie über Verteilung der
Produktionsmittel
Bestimmungen
Verteilung der Reichtümer
auf zwei Ebenen
i) Die allgemeine Erlaubnis ist eine gesetzliche Bestimmung
des
islamischen Rechts [scharia],
Kraft derer es jedem Einzelnen freisteht, bestimmte Güter zu
nutzen und sie sich privat anzueignen. Die Güter, die in diese
Kategorie fallen, werden als “allgemein erlaubte Dinge“
angesehen, wie etwa die Vögel in der Luft und die Fische im
Meer.
(Fußnote des Autors)
Die Verteilung
von Reichtümern erfolgt auf zwei Ebenen: Erstens als
Verteilung der materiellen Produktionsmittel und zweitens als
Verteilung der produzierten Güter. Zu den Produktionsmitteln
gehören: Land, Rohstoffe und Instrumente, die zur Herstellung
der verschiedenen Waren benötigt werden, denn alle diese
Faktoren haben an der landwirtschaftlichen oder der
industriellen Produktion oder an beiden Anteil. Und zu den
produzierten Gütern zählen die Waren, die durch menschliche
Arbeit an der Natur gewonnen, bzw. durch den kombinierten
Einsatz der materiellen Produktionsmittel hergestellt werden.
Es gibt also primäre Vermögenswerte, nämlich die
Produktionsmittel, und sekundäre Vermögenswerte, nämlich die
Waren und Artikel, die der Mensch durch den Gebrauch jener
Produktionsmittel gewinnt. Und eine Erörterung der Verteilung
muss beide Arten von Reichtümern umfassen, die primären und
die sekundären Reichtümer, die Produktionsmittel und die
produzierten Waren.
Es ist
einleuchtend, das die Verteilung der grundlegenden
Produktionsmittel dem Produktionsprozess selbst vorausgeht,
denn die einzelnen Menschen führen ihre produktiven
Aktivitäten in Abhängigkeit von der Art und Weise, in der die
Gesellschaft die Produktionsmittel unter ihnen verteilt hat,
aus. Die Verteilung der Produktionsmittel geschieht also vor
der Produktion, aber die Verteilung der produzierten Güter
hängt mit dem Produktionsprozess zusammen und baut darauf auf,
denn sie behandelt die Ereignisse, die aus der Produktion
hervorgehen.
Wenn die
kapitalistischen Wirtschaftstheoretiker im Rahmen ihrer
“politischen Ökonomie“ die Güterverteilung unter den
Bedingungen des Kapitalismus untersuchen, dann betrachten sie
nicht den gesamten Reichtum der Gesellschaft einschließlich
der Produktionsmittel, sondern untersuchen lediglich die
Verteilung der produzierten Werte, d.h. des Sozialproduktes,
und nicht die des gesamt-gesellschaftlichen Reichtums. Mit dem
Sozialprodukt meinen sie die Gesamtheit der produzierten Waren
und Dienstleistungen, oder präziser formuliert, den Geldwert
der gesamten Produktion, z.B. eines Jahres. Eine Studie über
die Güterverteilung bedeutet in der “politischen Ökonomie“
also die Untersuchung der Verteilung dieser Geldwerte auf die
Elemente, die an der Produktion beteiligt waren, so dass der
Anteil, der jedem dieser Produktionsfaktoren, dem Kapital, dem
Land, dem Organisator und dem Arbeiter jeweils zusteht, in
Form von Zinsen, von Ertrag, von Gewinn und von Lohn definiert
wird. In diesem Sinne war es natürlich, vor der Verteilung die
Produktion zu untersuchen, denn wenn man unter der Verteilung
lediglich die Aufteilung des Geldwertes der produzierten Waren
an die Quellen und Faktoren der Produktion versteht ... dann
handelt es sich um einen Vorgang, der erst nach der Produktion
einsetzt, denn solange eine Ware noch nicht produziert ist,
kann von deren Verteilung, bzw. der Verteilung von deren
Gegenwert in Geld, keine Rede sein.
Auf dieser
Grundlage bemerken wir, dass die “politische Ökonomie“ die
Produktion als primäres Untersuchungsobjekt ansieht, also
zunächst die Produktion untersucht, und dann zu den Problemen
der Verteilung übergeht. Dagegen behandelt der Islam die
Probleme der Verteilung in einem weiteren Rahmen und mit einem
umfassenderen Verständnis, denn er beschränkt sich nicht
darauf, die Verteilung der produzierten Güter zu regeln, und
vernachlässigt nicht den tieferen Aspekt der Verteilung,
nämlich die Verteilung der Produktionsmittel, wie das der
ideologische Kapitalismus macht, der es zulässt, dass immer
die Stärksten sich der Produktionsmittel bemächtigen, und zwar
nach dem Motto des wirtschaftlichen Liberalismus, der die
Stärksten begünstigt und ihnen den Weg zur Monopolisierung der
Natur und ihrer Ressourcen bereitet. Vielmehr greift der Islam
aktiv in die Verteilung der Natur und der in ihr enthaltenen
Produktionsmittel ein, und teilt sie in verschiedene
Kategorien ein, wobei jede Kategorie jeweils einem bestimmten
Bereich zugeordnet wird, sei es dem Privateigentum, dem
“Eigentum der Gemeinschaft“, dem Eigentum des Staates oder den
“allgemein erlaubten Dingen“... und er setzt Regeln für diese
Aufteilung fest, genauso wie die Verteilung der produzierten
Güter nach bestimmten Prinzipien erfolgt, und entwirft im
Rahmen dieser Prinzipien die Einzelheiten seines
Verteilungssystems. Aus diesem Grund ist die Verteilung der
Ausgangspunkt oder das vorrangige Thema der islamischen
Wirtschaftslehre, und nicht, wie in der traditionellen
“politischen Ökonomie“, die Produktion, denn die Verteilung
der Produktionsmittel selbst geht der Produktion voraus, und
jede Regelung im Zusammenhang mit dem eigentlichen
Produktionsprozess oder der Verteilung der produzierten Waren
ist sekundär. Wir werden nun damit beginnen, den Standpunkt
des Islam zur Verteilung der grundsätzlichen
Produktionsquellen, d.h. zur Verteilung der Natur und der in
ihr enthaltenen Reichtümer, darzulegen.