Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Verborgene Bodenschätze nahe der Erdoberfläche

Für solche verborgene Bodenschätze, die sich nahe der Erdoberfläche befinden, gelten die gleichen Bestimmungen wie für die offensichtlichen Bodenschätze, die wir gerade aufgezeigt haben. Allama al-Hilli schreibt in der “Tadhkira“: „Die verborgenen Bodenschätze sind entweder leicht zugänglich – d.h. sie befinden sich dicht unter der Erdoberfläche oder sind direkt zugänglich – oder nicht, und wenn sie leicht zugänglich sind, können sie nicht durch Erschließung der Lagerstätte zum Eigentum der betreffenden Person werden, genauso wenig wie die zuvor erwähnten offensichtlichen Bodenschätze.[1] Die gleiche Aussage mach Ibn Qudama, der schreibt: „Die offensichtlichen Bodenschätze, d.h. solche, deren nutzbarer Gehalt ohne zusätzlichen Aufwand gewonnen wird, so dass die Menschen sie sich beschaffen und nutzen können, werden nicht zum Eigentum dessen, der die Lagerstätte erschließt, und sie dürfen keinem einzelnen Menschen als Konzession zugeteilt und den übrigen Muslimen vorenthalten werden ... . Und die verborgenen Bodenschätze, d.h. solche, deren nutzbarer Gehalt erst durch zusätzliche Arbeit und Aufwand gewonnen wird, wie die Erze von Gold, Silber, Eisen, Kupfer und Blei, und Gestein, das Kristalle oder Türkise enthält, können ebenfalls nicht durch Erschließung der Lagerstätte angeeignet werden, wenn sie leicht zugänglich sind.[2]

Der Islam erlaubt also nicht die Aneignung von mineralischen Rohstoffen, die sich nahe der Erdoberfläche befinden, als privates Eigentum, solange sie noch in ihrer Lagerstätte sind; er gestattet es lediglich jedem Einzelnen, sich die jeweilige Menge jener Materialien, die er dort entnimmt und mitnimmt anzueignen, unter der Voraussetzung, dass diese Menge ein vernünftiges Maß nicht überschreitet, und nicht solchen Umfang erreicht, dass durch deren Bemächtigung und Inbesitznahme durch eine Einzelperson ein Schaden für die Gesellschaft und Knappheit für die anderen entsteht, worauf der Rechtsgelehrte al-Isfahani in seinem Buch “al-Wasila“ hinweist. Denn uns liegt im islamischen Recht [scharia] keine authentische Textquelle vor, die belegen würde, dass allein schon die Inbesitznahme – jederzeit und unter allen Umständen – eine ausreichende Bedingung für das Eigentum an Bodenschätzen, derer sich eine Person bemächtigt hat, sein soll, ganz gleich welchen Wert diese Reichtümer darstellen, und welche Folgen deren Beschlagnahmung durch eine Person für die anderen hat. Alles was wir wissen, ist, dass die Menschen zur Zeit der islamischen Gesetzgebung gewöhnt waren, ihren Bedarf an mineralischen Rohstoffen, die sich an der Erdoberfläche oder nicht dicht darunter befanden, zu decken, indem sie sich so große Mengen jener Rohstoffe mitnahmen, wie sie benötigten. Und naturgemäß waren diese Mengen unbedeutend, entsprechend ihrer geringen Möglichkeiten der Förderung und der Produktion. Mithin kann diese Gewohnheit, die seinerzeit vom islamischen Recht [scharia] gestattet wurde, nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass das islamische Recht [scharia] dem Einzelnen erlaubt, sich so viel anzueignen, wie er sich verschaffen kann, auch wenn sich diese Besitzergreifung quantitativ – d.h. in der Menge des beschlagnahmten Materials – und qualitativ –d.h. in der Auswirkung der Beschlagnahmung auf die anderen – von der Besitzergreifung, die der Gewohnheit der Menschen zur Zeit der islamischen Gesetzgebung entsprach, unterscheidet.

Wir fanden bis jetzt, im Rahmen der Besprechung der – nach der Terminologie der Rechtswissenschaft [fiqh] – offensichtlichen Bodenschätze und der nahe an der Erdoberfläche vorhandenen verborgenen Bodenschätze ... , dass die Rechtsgelehrten das private Eigentum an der Kontrolle über deren Lagerstätten nicht erlauben, sondern dem Einzelnen lediglich zugestehen, sich aus jenen Lagerstätten soviel zu entnehmen, wie seinem vernünftigen Bedarf entspricht. Damit wird die Ausbeutung dieser natürlichen Reichtümer in einem gefassten Rahmen möglich gemacht, anstatt dass in diesem Bereich private Unternehmen von Einzelpersonen mit dem Mittel der Monopolisierung tätig werden.

[1] “Tadhkira al Fuqaha“, Band 2, 2. Thema im “Kitab Ihya al-Mawat“

[2] “Al-Mugni“ des Ibn Qudama, Band 5, Seite 437-438

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de