Verborgene Bodenschätze nahe der Erdoberfläche
Für solche
verborgene Bodenschätze, die sich nahe der Erdoberfläche
befinden, gelten die gleichen Bestimmungen wie für die
offensichtlichen Bodenschätze, die wir gerade aufgezeigt
haben. Allama al-Hilli schreibt in der “Tadhkira“: „Die
verborgenen Bodenschätze sind entweder leicht zugänglich –
d.h. sie befinden sich dicht unter der Erdoberfläche oder sind
direkt zugänglich – oder nicht, und wenn sie leicht zugänglich
sind, können sie nicht durch Erschließung der Lagerstätte zum
Eigentum der betreffenden Person werden, genauso wenig wie die
zuvor erwähnten offensichtlichen Bodenschätze.“
Die gleiche Aussage mach Ibn Qudama, der schreibt: „Die
offensichtlichen Bodenschätze, d.h. solche, deren nutzbarer
Gehalt ohne zusätzlichen Aufwand gewonnen wird, so dass die
Menschen sie sich beschaffen und nutzen können, werden nicht
zum Eigentum dessen, der die Lagerstätte erschließt, und sie
dürfen keinem einzelnen Menschen als Konzession zugeteilt und
den übrigen Muslimen vorenthalten werden ... . Und die
verborgenen Bodenschätze, d.h. solche, deren nutzbarer Gehalt
erst durch zusätzliche Arbeit und Aufwand gewonnen wird, wie
die Erze von Gold, Silber, Eisen, Kupfer und Blei, und
Gestein, das Kristalle oder Türkise enthält, können ebenfalls
nicht durch Erschließung der Lagerstätte angeeignet werden,
wenn sie leicht zugänglich sind.“
Der Islam
erlaubt also nicht die Aneignung von mineralischen Rohstoffen,
die sich nahe der Erdoberfläche befinden, als privates
Eigentum, solange sie noch in ihrer Lagerstätte sind; er
gestattet es lediglich jedem Einzelnen, sich die jeweilige
Menge jener Materialien, die er dort entnimmt und mitnimmt
anzueignen, unter der Voraussetzung, dass diese Menge ein
vernünftiges Maß nicht überschreitet, und nicht solchen Umfang
erreicht, dass durch deren Bemächtigung und Inbesitznahme
durch eine Einzelperson ein Schaden für die Gesellschaft und
Knappheit für die anderen entsteht, worauf der Rechtsgelehrte
al-Isfahani in seinem Buch “al-Wasila“ hinweist. Denn uns
liegt im islamischen Recht [scharia] keine authentische
Textquelle vor, die belegen würde, dass allein schon die
Inbesitznahme – jederzeit und unter allen Umständen – eine
ausreichende Bedingung für das Eigentum an Bodenschätzen,
derer sich eine Person bemächtigt hat, sein soll, ganz gleich
welchen Wert diese Reichtümer darstellen, und welche Folgen
deren Beschlagnahmung durch eine Person für die anderen hat.
Alles was wir wissen, ist, dass die Menschen zur Zeit der
islamischen Gesetzgebung gewöhnt waren, ihren Bedarf an
mineralischen Rohstoffen, die sich an der Erdoberfläche oder
nicht dicht darunter befanden, zu decken, indem sie sich so
große Mengen jener Rohstoffe mitnahmen, wie sie benötigten.
Und naturgemäß waren diese Mengen unbedeutend, entsprechend
ihrer geringen Möglichkeiten der Förderung und der Produktion.
Mithin kann diese Gewohnheit, die seinerzeit vom islamischen
Recht [scharia] gestattet wurde, nicht als Beleg dafür
herangezogen werden, dass das islamische Recht [scharia]
dem Einzelnen erlaubt, sich so viel anzueignen, wie er sich
verschaffen kann, auch wenn sich diese Besitzergreifung
quantitativ – d.h. in der Menge des beschlagnahmten Materials
– und qualitativ –d.h. in der Auswirkung der Beschlagnahmung
auf die anderen – von der Besitzergreifung, die der Gewohnheit
der Menschen zur Zeit der islamischen Gesetzgebung entsprach,
unterscheidet.
Wir fanden bis
jetzt, im Rahmen der Besprechung der – nach der Terminologie
der Rechtswissenschaft [fiqh] – offensichtlichen
Bodenschätze und der nahe an der Erdoberfläche vorhandenen
verborgenen Bodenschätze ... , dass die Rechtsgelehrten das
private Eigentum an der Kontrolle über deren Lagerstätten
nicht erlauben, sondern dem Einzelnen lediglich zugestehen,
sich aus jenen Lagerstätten soviel zu entnehmen, wie seinem
vernünftigen Bedarf entspricht. Damit wird die Ausbeutung
dieser natürlichen Reichtümer in einem gefassten Rahmen
möglich gemacht, anstatt dass in diesem Bereich private
Unternehmen von Einzelpersonen mit dem Mittel der
Monopolisierung tätig werden.