Vorwort zum Autor
Sayyid Muhammad Baqir Sadr wurde 1936 in
der Stadt Kazhimain
im Irak geboren. Er war ein Großayatollah und damit Vorbild
der Nachahmung in Detailfragen des Islam. Ayatollah Sadr gilt
als einer der größten Gelehrten des Irak im 20. Jh.n.Chr..
Aufgrund seiner besonderen Verbundenheit zu Imam Chomeini
wurde er am 8.4.1980 zusammen mit seiner ebenfalls gelehrten
Schwester Amina Haidar Sadr, bekannt als Bint-ul-Huda (Tochter
der Rechtleitung), vom damaligen irakischen Diktator Saddam
ermordet. Muhammad Baqir Sadr ist Sayyid, also ein direkter
Nachkomme des Propheten Muhammad (s.)
über dessen Tochter Fatima (a.),
und er stammt aus einer sehr bekannten Gelehrtenfamilie.
Im Jahr 1958 führte General Qasim im Irak
einen Militärputsch gegen den von den Briten eingesetzten
König durch. Zu der Zeit waren die schiitischen Gelehrten in
der Religions-Hochschule gespalten zwischen traditionellen
Gelehrten, die der politischen Betätigung gegenüber vollkommen
abgeneigt waren, und denjenigen, die sich dafür einsetzten,
dass sich auch die islamischen Geistlichen politisch
betätigten und für Gerechtigkeit einstehen. Diese Geistlichen
organisierten sich in der "Vereinigung der Gelehrten" [dschamaat
al-ulama] in der südirakischen Stadt Nadschaf, in dem das
Mausoleum Imam Alis
(a.) erbaut wurde. Ziel der Gelehrtenvereinigung war es, gegen
die antireligiösen Tendenzen in der Gesellschaft vorzugehen.
Zu der Zeit war Muhammad Baqir Sadr mit 22 Jahren noch ein
sehr junger Gelehrter, und er wurde daher noch nicht als
offizielles Mitglied anerkannt. Er konnte jedoch über seinen
Schwiegervater Scheich Murtadha Yasin, der ein führendes
Mitglied dieser "Vereinigung der Gelehrten" war, sowie
durch seinen Bruder Ismail Sadr einen gewissen Einfluss auf
die Vereinigung ausüben. Schon bald entstand ein Konflikt
zwischen der "Vereinigung der Gelehrten" und dem Regime
des Generals Qasim, als der damalige bekannteste Großayatollah
Muhsin Hakim ein religiöses Rechtsurteil erließ, in dem
Kommunismus mit Atheismus gleichgesetzt wurde, und er Muslimen
verbot, der kommunistischen Partei beizutreten oder sie zu
unterstützen, was der säkulare Qasim nicht dulden wollte und
den Geistlichen im Land Schwierigkeiten bereitete.
In dieser Atmosphäre gab Ayatollah Sadr
1959 sein erstes philosophisches Werk mit dem Titel "Unsere
Philosophie“ [falsafatuna] heraus, mit unter
anderem einer Kritik am Kommunismus. In seinem zweiten Werk "Unsere
Wirtschaft" [iqtisaduna] kritisierte er die
Wirtschaftstheorie des Kommunismus und Kapitalismus, und so
wollte er das Argument der Kommunisten und der Säkularisten
entkräften, dass der Islam keine Antworten und Lösungen auf
die wirtschaftlichen Probleme der modernen Zeit habe.
Gleichzeitig wollte er auch zeigen, dass der Islam sehr wohl
ein Konzept für die Wirtschaft hat. Er war somit der erste
Gelehrte, der ein umfassendes wirtschaftliches Konzept auf der
Basis des Islam formulierte. "Unsere Wirtschaft" [iqtisaduna]
gilt seither als eines der umfangreichsten islamischen Werke
zum Thema.
Ayatollah Sadr gründete in jener Zeit
zusammen mit anderen Gelehrten die Dawa-Partei
(Einladungs-Partei), und er wurde zu ihrem Vorsitzenden
gewählt. Das Ziel der Partei war aufrichtige und aktive
Muslime zu organisieren, um später das korrupte Regime des
Irak zu stürzen und einen Islamischen Staat zu errichten
1960 kehrte er an die
Religions-Hochschule in Nadschaf zurück. Einige seiner Gegner
initiierten damals eine Kampagne gegen ihn, und behaupteten,
dass seine politischen Aktivitäten schädlich für das Überleben
der Religions-Hochschule seien. Sie vertraten die Meinung,
dass das Überleben der Religions-Hochschule wichtiger sei, als
ein aktueller politischer Einsatz. Sie übten derart großen
Druck auf ihn aus, dass er seine öffentlichen politischen
Aktivitäten reduzierte. 1962 zog er sich von der Dawa-Partei
zurück und lehrte fortan bis 1980 an der Religions-Hochschule
in Nadschaf. Er blieb jedoch mit der Dawa-Partei weiter in
Kontakt, wie einige ihrer Mitglieder nach Ayatollah Sadrs
Martyrium berichtet haben, und wirkte aus dem Hintergrund
heraus.
Ayatollah Sadrs Bemühungen um Reformen
richteten sich nun auf die Religions-Hochschule selbst. Er
strebte danach, den Lehrplan vielseitiger zu gestalten als die
traditionelle Lehre. Er half beim Aufbau der
Usul-ad-Din-Hochschule in Bagdad und stellte deren neu
gestaltete Lehrpläne auf. Er schrieb drei Lehrbücher für die
Studenten im ersten und zweiten Studienjahr: Sie handelten
über den Heiligen Qur´an, die islamische Rechtswissenschaft
und über die islamische Wirtschaft. Seine Reformbemühungen an
der Religions-Hochschule scheiterten aber teilweise am
Widerstand sowohl der traditionell orientierten Gelehrten als
auch mancher Studenten.
1964-1968 war im Rahmen des neu
entstandenen Machtvakuums eine Zeit der Befreiung und Blüte
für den Islam im Irak. Die Baath-Partei hatte zwar Ex-General
Qasim gestürzt, aber noch nicht die später eingeführten
eigenen Unterdrückungsmechanismen etablieren können, da sie
einerseits in sich und andererseits mit anderen Gruppierungen
zerstritten war und daher die Macht noch teilen musste. In
dieser neuen Situation konnten die Anhänger einer islamischen
Entwicklung in den Universitäten und unter den Intellektuellen
ihre Anhängerzahlen ungehindert steigern. Viele neue religiöse
Zentren wurden gegründet, und die Gelehrten aus Kazhimain und
Bagdad organisierten sich ähnlich wie damals die "Vereinigung
der Gelehrten". Die Organisation nannte sich "Lebensvereinigung
der Gelehrten in Bagdad und Kazhimain" [hayat dschmaat
al-ulama fi bagdad wal kazhimiyya].
Am 16. Juli 1968 kam die Baath-Partei an
die Macht und es gab eine neue Phase der Unterdrückung des
Islam. Der erste Schritt zur Repression der Schiiten bestand
darin, dass die Regierung einige religiöse Schulen schloss.
Zudem wurde ein Gesetz erlassen, dass die irakischen Studenten
der Religions-Hochschule dazu verpflichtete, den bewaffneten
Kräften des Staates in ihrem Wehrdienst beizutreten, wovon sie
vorher befreit waren.
Ayatollah Sadr ging in den Libanon zu
seinem Cousin Sayyid Musa Sadr.
Dazu nahm er Kontakt mit dem Büro des schiitischen Hohen Rats
auf, der von seinem Cousin geleitet wurde. Musa Sadr schickte
Telegramme zu den Oberhäuptern der islamischen Staaten und
machte sie darin auf die Repressionen der irakischen Regierung
gegen die Gelehrten in Nadschaf aufmerksam. Einige wenige
gaben "moralische" Unterstützung, aber niemand handelte.
Nach seiner Rückkehr in den Irak hielt
Ayatollah Muhammad Baqir Sadr zusammen mit den bekannten
Geistlichen Mahdi Hakim und Muhsin Hakim ein offizielles
Treffen im Mausoleum von Imam Ali (a.) ab, bei dem er das
irakische Regime verurteilte. Er hatte auch vor, eine
Massendemonstration in Kerbela
abzuhalten, aber die Regierung klagte Mahdi Hakim an,
angeblich mit Hilfe der USA und Israel einen Putsch zu planen.
Diese völlig frei erfundene Verleumdung trieb die schiitischen
Oberhäupter in die Defensive. Mahdi Hakim wurde ausgewiesen,
und Muhsin Hakim zog sich nach Nadschaf zurück, wo er einige
Monate später starb. Danach intensivierte das Baath-Regime die
Unterdrückung der Schiiten an der Religions-Hochschule. Da die
Mehrheit ihrer Studenten ausländischer Herkunft war, wurden
sie ausgewiesen, und die irakischen Studenten wurden
überwacht. Der Begriff “Ausländer“ bezog sich dabei auch auf
jeden Schüler und Gelehrten an der Hochschule, welcher z.B.
von einem anderen arabischen Land kam. Das führte zu Chaos an
der religiösen Hochschule. Viele Studenten, aber auch einige
Gelehrte, verließen die Hochschule aus Angst um ihre Zukunft.
Ayatollah Sadr suchte nach einer Lösung,
um dieser neuen Unterdrückung entgegen zu wirken. Er
überzeugte Ayatollah Chui,
den damals bekanntesten Großayatollah im Land, dass er einen
religiösen Erlass [hukm] veröffentlichen sollte,
welcher die Studenten der Religions-Hochschule dazu
verpflichtete, ihre Studien fortzusetzen.
Das Baath-Regime scheute damals noch die
Konfrontation mit Ayatollah Chui, der als unpolitisch galt,
und vertagte seine Deportationspolitik. Dafür versuchte die
irakische Regierung, die Dawa-Partei niederzuschlagen, indem
sie viele ihrer Mitglieder verhaftete. Diese Verhaftungen
führten zu einem öffentlichen Aufschrei der religiösen
Gelehrten, darunter Imam Chomeini, Ayatollah Chui und
Ayatollah Sadr. Ayatollah Sadr gab dann ein religiöses
Rechtsurteil heraus, dass Studenten und Gelehrte der
Religions-Hochschule nicht Mitglied einer politischen Partei
sein dürften, um die Gelehrten zu schützen. Er wollte dem
Regime keinen Vorwand liefern, Gelehrte der
Religions-Hochschule hinzurichten mit der Behauptung, sie
seien in politischen Parteien gegen das Regime tätig.
Aber alle Maßnahmen konnten nicht
überdecken, dass die Geistlichkeit gegen das Regime stand!
Ayatollah Sadr selber wurde erstmals in Bagdad verhört, aber
zunächst wieder freigelassen. Kurze Zeit später brachte er
1975 sein eigenes religiöses Regelwerk [risala] mit dem
Titel "Fatawa al-Wadhiha" heraus. Einige Jahre zuvor,
1971, wurde ihm in vergleichsweise jungen Jahren der Titel
eines “Vorbildes der Nachahmung“ zugesprochen. Damals kam er
auch in direkten Kontakt mit Imam Chomeini, da der Schah des
Iran Imam Chomeini nach Nadschaf ins Exil geschickt hatte.
Fortan sollte Imam Chomeini Ayatollah Sadrs Vorbild sein.
Anfang 1977 leitete das Baath-Regime die
schwersten Repressionen gegen die Schiiten ein, als es die
jährlichen Trauerzeremonien zu Aschura verbot. Das Regime
hatte es seit 1970 bereits mehrfach versucht, vor allem in
Nadschaf und Kerbela. 1977 aber war das Regime fest
entschlossen, jegliche Mittel anzuwenden, um die
traditionellen Prozessionen zu unterbinden, da sie diese als
Hindernis auf dem Weg zur Säkularisierung betrachtete.
Dieses Verbot rief 1977 Unruhen in
Nadschaf hervor, und die Schiiten leisteten Widerstand. Über
30.000 Menschen begannen ihre Prozession von Nadschaf nach
Kerbela und trugen Spruchbänder, auf denen viele Verse aus dem
Heiligen Qur´an standen. Angesichts dieses Widerstandes bot
die Regierung den Demonstranten an, das Prozessionsverbot
aufzuheben, wenn die Leute aufhören würden, Parolen gegen die
Regierung zu skandieren. Aber die Stimmung war so sehr gegen
die Regierung aufgeladen, dass die Menschen nicht bereit
waren, diesen Kompromiss einzugehen. Daraufhin setzte das
Regime Panzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge ein, um den Weg
nach Kerbela abzuschneiden. Hunderte von Demonstranten
schafften es dennoch, nach Kerbela zu gelangen, weil viele
Offiziere für die Demonstranten Sympathie empfanden und sich
weigerten, auf sie zu schießen. Nun setzte das Regime die
Sicherheitstruppen und die Polizeikräfte so ein, dass sie die
Prozession in den Straßen von Kerbela aufhalten und so viele
Demonstranten wie möglich verhaften sollten. Hunderte von
Demonstranten wurden verhaftet und viele verletzt. Sieben
wurden zum Tode verurteilt und fünfzehn zu lebenslanger Haft.
Dieses Ereignis führte zur Spaltung der
regierenden Baath-Partei, aber die Fraktion, die von Saddam
angeführt wurde, setzte sich durch und enthob die Kritiker der
Repressionen ihrer Ämter. Das Regime vermutete Ayatollah Sadr
hinter den Demonstrationen, da sie so gut organisiert waren,
und Organisation war seine große Stärke. Er wurde verhaftet
und in Bagdad verhört, aber auf Verlangen des Volkes wurde er
wieder freigelassen, da die Regierung keine neuen Unruhen
durch die Religions-Hochschule provozieren wollte und ihm
letztendlich kaum etwas nachweisen konnte.
Die Führer der Baath-Partei hatten
angenommen, dass ihre repressiven Maßnahmen 1977 der
religiösen Opposition auf Jahre hinweg ein Ende gesetzt hätte.
Aber die beginnende Islamische Revolution im Iran 1978 brachte
neuen Schwung in die Bewegung. Imam Chomeini hatte die letzten
14 Jahre in Nadschaf gelebt und war hier gut bekannt. Die
voranschreitende Islamische Revolution im Iran zeigte den
Aktivisten, dass ein Unterdrücker-Regime, dass durch westliche
Geheimdienste unterstützt wurde, dennoch besiegbar war, und
dass die islamische Ideologie in der Lage war, die Massen dazu
zu führen, den erträumten Staat auf Basis von Gerechtigkeit
und Tugend zu errichten. Ayatollah Sadr schickte eine
umfangreiche Botschaft an das iranische Volk, während Imam
Chomeini von Saddam abgeschoben wurde und in Paris weilte. In
der Botschaft erklärte Ayatollah Sadr seine Unterstützung und
pries die Islamische Revolution.
Nachdem Imam Chomeini triumphal in den
Iran zurückgekehrt war, sandte Ayatollah Sadr einen seiner
engsten Schüler namens Mahmud Haschimi in den Iran als seinen
Vertreter. Sowohl die Islamische Revolution im Iran, als auch
das Verhalten Ayatollah Sadrs wertete das Baath-Regime als
Provokation und versuchte die Araber im Iran gegen Imam
Chomeini aufzuhetzen. Aber Ayatollah Sadr forderte sie im
Gegenteil dazu auf, Imam Chomeini und der Führung der
Islamischen Revolution zu gehorchen, da die Islamische
Republik jenen Staat repräsentiere, den Prophet Muhammad (s.)
begründet hatte, in dem verschiedenen Nationalitäten und
ethnische Gruppen in Frieden leben konnten. Ayatollah Sadr
sagte in seinem wohl berühmtesten Zitat: „Verschmelzt euch
mit Imam Chomeini, so wie er sich mit dem Islam verschmolzen
hat.“
Ayatollah Sadr gab dann sechs Schriften
über die Gründung eines Islamischen Staates heraus. Eine davon
handelte von der religiösen Basis, die eine Islamische
Republik formt. Er beschrieb die Struktur eines islamischen
Staates und die Funktionen der einzelnen Abteilungen der
Regierung eines solchen Staates; Schriften, die im Nachbarland
Iran aufmerksam studiert wurden.
Ayatollah Sadrs kühnster Schritt gegen
das irakische Regime war, dass er ein religiöses Rechtsurteil
[fatwa] erließ, das Muslimen verbot, in der
Baath-Partei oder ihren Tochter-Organisationen tätig zu sein.
Dieser Schritt war so gefährlich, dass viele von Ayatollah
Sadrs Vertretern in verschiedenen irakischen Städten zögerten,
diese Fatwa zu publizieren, da sie sowohl um ihre eigene
Sicherheit fürchteten als auch und vor allem um das Leben
Ayatollah Sadrs. Um sein religiöses Rechtsurteil dennoch
bekannt zu machen, ermutigte Ayatollah Sadr seine Studenten
während seiner Lehrveranstaltungen in der Religions-Hochschule
Fragen zu stellen, ob es erlaubt sei, in der Baath-Partei
aktiv zu sein. Das Volk erwartete schwerste Repressionen gegen
Ayatollah Sadr, aber das Regime verhielt sich zunächst
abwartend.
In der Folgezeit sandte Imam Chomeini
eine Botschaft zu Ayatollah Sadr und riet ihm, in der
Religions-Hochschule zu bleiben und den Irak nicht zu
verlassen. Ayatollah Sadr hatte ohnehin nie die Absicht
gehabt, das Land zu verlassen, obwohl er wusste, dass ihm
Verfolgung oder gar der Tod drohten. Imam Chomeinis Botschaft
und Sadrs Antwort wurden von Millionen im Irak gehört, und sie
lösten eine Welle von Demonstrationen in vielen Städten des
Irak aus. Die Demonstrationen trugen Bilder von Ayatollah Sadr
und riefen auch zur Unterstützung Imam Chomeinis auf. Die
turbulentesten Demonstrationen wurden in Nadschaf abgehalten
und viele Demonstranten wollten von Ayatollah Sadr empfangen
werden bzw. seine Rede hören. Da Ayatollah Sadr um das Leben
seiner Anhänger fürchtete, bat er sie, die Demonstrationen
einzustellen. Er sagte zu einigen der Dawa-Mitglieder, dass
das Regime sich nur ruhig verhalte, weil es etwas schlimmeres
plane, sozusagen die Ruhe vor dem Sturm, und er wies daher
seine Anhänger zur Vorsicht an.
Tatsächlich schlug das Regime schon bald
zu: Ayatollah Sadrs Vertreter und Hunderte von den
Dawa-Mitgliedern wurden verhaftet oder hingerichtet. Dann
wurde Ayatollah Sadr selbst verhaftet und nach Bagdad
verschleppt. Seine Schwester Amina Sadr, auch bekannt als
Bint-ul-Huda, ging zum Mausoleum von Imam Ali (a.) und hielt
eine feurige Rede, in der sie die Menschen zu Demonstrationen
und Unterstützung ihres Oberhauptes Ayatollah Sadr aufrief,
ganz nach dem Vorbild Zainabs
(a.). Als sich die Nachricht über seine Verhaftung
verbreitete, gab es viele Unruhen in Bagdad, Basra, Kerbela
und anderen irakischen Städten. Der Basar von Nadschaf wurde
geschlossen, und es gab Zusammenstöße zwischen Demonstranten
und der Polizei. Die Unruhen wurden so stark, dass das Regime
Ayatollah Sadr am nächsten Tag freilassen musste. Das Ausmaß
der Unruhen machte der irakischen Regierung deutlich, wie
viele Anhänger Ayatollah Sadr in der Bevölkerung hatte und was
für eine Bedrohung er für das Fortbestehen des Baath-Regimes
darstellte.
Es gab immer wieder Massenverhaftungen,
Folterungen und mindestens 238 Hinrichtungen, und keinerlei
Proteste aus der Westlichen Welt. Diese Verbrechen wurden in
der Westlichen Welt nicht einmal berichtet. Ayatollah Sadr
selbst wurde unter Hausarrest (1979-1980) gestellt, und das
Regime versuchte ihn zu zwingen, sich öffentlich gegen die
Islamische Revolution im Iran auszusprechen und das Volk dazu
aufzufordern, die irakische Politik gegen die junge Islamische
Republik Iran zu unterstützen. Er weigerte sich jedoch, das zu
tun.
Daraufhin schickte das Regime einen
anderen Vermittler, Scheich Isa Chaqani, um ihn aufzufordern,
nur eine von den folgenden fünf Bedingungen zu erfüllen, um
sein Leben zu retten. Er sollte entweder
1.
aufhören, Imam Chomeini zu
unterstützen,
2.
sich öffentlich für die Politik der
Regierung aussprechen,
3.
ein religiöses Rechtsurteil erlassen,
das die Aktivität in der Dawa-Partei verbot,
4.
das religiöse Rechtsurteil widerrufen,
in welcher er Aktivitäten in der Baath-Partei für Muslime
verboten hatte
5.
oder einer arabischen Zeitung ein
Interview geben, dass er mit dem irakischen Regime verbunden
sei.
Daraufhin sagte Ayatollah Sadr, dass
seine Tage ohnehin gezählt seien, und in der Erwartung
Märtyrer zu werden entschloss er sich, all diese Bedingungen
nicht zu akzeptieren. Er sagte zu Chaqani. „Das Einzige,
was ich in meinem Leben erreichen wollte, ist die Errichtung
einer islamischen Regierung auf der Welt zu ermöglichen. Da
sie unter der Führung Imam Chomeinis zustande gekommen ist,
macht es keinen Unterschied für mich, ob ich am Leben bin oder
tot, da sich mein Traum und meine Hoffungen erfüllt haben,
Allah sei Dank.“
Einige islamische Gruppen griffen in der
Folgezeit Politiker des Baath-Regimes an. Der neue Präsident
Saddam Husain schwor Rache, und im März 1980 wurde ein Gesetz
verabschiedet, dass alle früheren oder gegenwärtigen
Mitglieder der Dawa-Partei zum Tode verurteilt werden sollten.
So blieb keine Möglichkeit mehr, das Leben Ayatollah Sadrs zu
retten.
Während seines Hausarrests schmuggelte er
drei Botschaften nach draußen, in denen er die Iraker zum
Widerstand gegen das Regime aufforderte. In einer der
Botschaften hieß es: „Jeder Muslim im Irak und jeder Iraker
im Ausland ist verpflichtet, alles in seiner Macht stehende zu
tun, sich anzustrengen und dafür zu kämpfen, dass dieser
Alptraum aus dem geliebten Irak verschwindet, selbst wenn es
ihn das Leben kostet, um sich von dieser unmenschlichen Bande
zu befreien und um eine rechtschaffene, einheitliche und
ehrenwerte Regierung zu gründen, die auf dem Islam basiert.“
Die Sicherheitskräfte kamen zu Ayatollah
Sadr und seiner Schwester am 5. April 1980, verhafteten sie
und brachten sie ins Hauptquartier des Nationalen
Sicherheitsdienstes in Bagdad. Drei Tage später wurde
Ayatollah Sadrs Leichnam seinem Onkel Muhammad Sadiq Sadr
überstellt und er wurde geheim begraben. Über den Verbleib
seiner Schwester Bint al-Huda ist nichts Genaueres bekannt,
aber es ist höchstwahrscheinlich, dass auch sie hingerichtet
wurde.
Erst Tage später wurde die Nachricht
verbreitet. Imam Chomeini verurteilte die Hinrichtung und rief
das irakische Volk und die bewaffneten Kräfte zum Sturz des
Baath-Regimes auf. Das nutzte Saddam als einen der Vorwände
für den kriegerischen Angriff auf die noch junge Islamische
Republik Iran und wurde dabei von der Westlichen Welt
unterstützt. Sadrs Hinrichtung rief keinerlei Proteste in der
Westlichen Welt hervor, da Ayatollah Sadr offen Imam Chomeini
unterstützt hatte. Ayatollah Sadrs Name ist aber in der
islamischen Welt derart legendär, dass viele seiner späteren
Verwandten von der Bekanntheit profitiert haben.