Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Warum produzieren wir?

Wir haben von der Theorie der Produktion zunächst einen Punkt untersucht, über den Einigkeit unter den verschiedenen Denkrichtungen der einzelnen Wirtschaftsideologien besteht. Wir begannen damit, um ihn zum Ausgangspunkt einer detaillierten Untersuchung der Gegensätze zwischen den Ideologien zu machen. Wir erfuhren, dass das Prinzip der Entwicklung der Produktion und der weitestmöglichen Ausnutzung der Natur zu den grundlegenden Prinzipien der islamischen Theorie gehört, und zu den Zielen, hinsichtlich derer der Islam mit den anderen Ideologien übereinstimmt. Doch wenn sich diese Ideologien auch über diesen Grundsatz einig sind, so unterscheiden sie sich doch in der Behandlung der Details, und in der Art und Weise ihrer Reflektion darüber, entsprechend ihrer unterschiedlichen geistigen Grundlagen, ihrem jeweiligen allgemeinen kulturellen Rahmen, und ihrem unterschiedlichen Verständnis von der Welt, vom Leben und von der Gesellschaft. So gibt es z.B. zwischen jenen Ideologien Meinungsverschiedenheiten über das eigentliche Ziel der Entwicklung von Reichtum, und über dessen Rolle im Leben des Menschen, und jede Ideologie beantwortet die Frage: „Warum produzieren wir?“ Und: „Welche Rolle spielt der Reichtum?“ Auf ihre spezielle Art und Weise, je nach ihrer geistigen Grundlage und der allgemeinen Sichtweise, welche sie sich zueigen macht.

Wenn wir die im Islam implizierte Ideologie oder irgendeine andere Wirtschaftsideologie und deren Haltung zur Produktion untersuchen, dann genügt es nicht, zu wissen, dass sich die Ideologie zum Prinzip der Entwicklung von Produktion und Reichtum bekennt, sondern wir müssen die geistige Grundlage dafür erfassen, welche das Verständnis der Ideologie vom Reichtum und dessen Rolle und Zweck erklärt. So kann sich die Entwicklung von Reichtum auf einer bestimmten geistigen Grundlage von dessen Entwicklung auf einer anderen Grundlage unterscheiden, je nach dem Rahmen für die Entwicklung und der Art und Weise, wie diese verwirklicht werden soll, was jeweils von der geistigen Grundlage bestimmt wird. Wenn wir die geistige Grundlage für die Entwicklung definieren wollen, dürfen wir die Wirtschaftsideologie, in ihrer Eigenschaft als Teil eines vollständigen zivilisatorischen Konzepts, nicht isoliert von der Kultur, zu der sie gehört, und deren Welt- und Menschenbild betrachtet. In diesem Sinne werden wir uns den Kapitalismus und die islamische Wirtschaftsideologie vornehmen und deren jeweiliges Verständnis von der Produktion und ihrer Rolle und ihrem Ziel untersuchen, und zwar nicht nur in deren Eigenschaft als zwei Wirtschaftsideologien, sondern auch in deren Eigenschaft als zwei verschiedene kulturelle Ausrichtungen, um die geistige Grundlage für die Entwicklung der Produktion aus der Sicht des Islam mit der geistigen Grundlage für die Entwicklung von Reichtum im Kapitalismus zu vergleichen.

Die moderne materielle Zivilisation, deren wirtschaftsideologische Ausrichtung sich im Kapitalismus manifestiert, erachtet gewöhnlich die Vermehrung von Reichtum als Selbstzweck und primäres Ziel, weil nach den Maßstäben, an denen sich der Mensch dieser Zivilisation in seinem Leben orientiert, die Materie alles bedeutet, und er kein darüber hinausgehendes Ziel sieht. Daher bemüht er sich, den Reichtum um seiner selbst willen zu mehren und das höchstmögliche Maß an materiellen Wohlstand zu verwirklichen. Desgleichen betrachtet der Kapitalismus bei den Methoden, die er zur Errichtung dieses Zieles verfolgt, die Entwicklung des Reichtums insgesamt, unabhängig von dessen Verteilung, und meint, dieses Ziel erreicht zu haben, wenn sich der gesamte Reichtum der Gesellschaft vermehrt hat, ohne Rücksicht darauf, in welchem Maße sich dieser Reichtum in der Gesellschaft verbreitet hat, und welcher Anteil am Wohlstand und Prosperität deren einzelne Mitgliedern zufällt. Daher propagiert der Kapitalismus im beginnenden Industriezeitalter die Verwendung industrieller Maschinen, weil sie zur Vermehrung des gesamtgesellschaftlichen Reichtums beitrugen, auch wenn diese tausende von Menschen, welche die neuen Maschinen nicht besaßen, arbeitslos machte und deren Existenz ruinierte. Der Reichtum ist also in der materiellen Zivilisation ein Selbstzweck, und nach kapitalistischen Kriterien wird die Entwicklung von Reichtum an der Vermehrung des gesamten in der Gesellschaft vorhandenen Reichtums gemessen. Und das wirtschaftliche Problem steht nach kapitalistischer Denkweise im Zusammenhang mit der zu geringen Produktion, mit der mangelnden Freigebigkeit der Natur, und damit dass diese nicht allen Erfordernissen gerecht wird. Daher sei die Behebung dieses Problems abhängig von der Entwicklung der Produktion, von der weitestmöglichen Ausbeutung und Mobilisierung der natürlichen Potentiale, und von der Überwindung ihres Widerstandes und ihrer vermehrten Unterwerfung durch den Menschen.

Der Islam nimmt zu allen diesen Gesichtspunkten einen gegensätzlichen Standpunkt ein. Die Entwicklung des Reichtums ist nicht das eigentliche Ziel im Islam, auch wenn es zu den von ihm angestrebten Zielen gehört. Der Islam betrachtet die Entwicklung des Reichtums nicht unabhängig von dessen Verteilung, und nicht nur im Hinblick auf den gesamten Reichtum der Gesellschaft. Und er glaubt nicht, dass das wirtschaftliche Problem seinen Ursprung in der zu geringen Produktion hat, so dass dessen grundsätzliche Abhilfe in der Entwicklung des gesamtgesellschaftlichen Reichtums läge. Im Folgenden wird der Standpunkt des Islam detailliert ausgeführt.

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