Warum produzieren wir?
Wir haben von der Theorie der Produktion
zunächst einen Punkt untersucht, über den Einigkeit unter den
verschiedenen Denkrichtungen der einzelnen
Wirtschaftsideologien besteht. Wir begannen damit, um ihn zum
Ausgangspunkt einer detaillierten Untersuchung der Gegensätze
zwischen den Ideologien zu machen. Wir erfuhren, dass das
Prinzip der Entwicklung der Produktion und der
weitestmöglichen Ausnutzung der Natur zu den grundlegenden
Prinzipien der islamischen Theorie gehört, und zu den Zielen,
hinsichtlich derer der Islam mit den anderen Ideologien
übereinstimmt. Doch wenn sich diese Ideologien auch über
diesen Grundsatz einig sind, so unterscheiden sie sich doch in
der Behandlung der Details, und in der Art und Weise ihrer
Reflektion darüber, entsprechend ihrer unterschiedlichen
geistigen Grundlagen, ihrem jeweiligen allgemeinen kulturellen
Rahmen, und ihrem unterschiedlichen Verständnis von der Welt,
vom Leben und von der Gesellschaft. So gibt es z.B. zwischen
jenen Ideologien Meinungsverschiedenheiten über das
eigentliche Ziel der Entwicklung von Reichtum, und über dessen
Rolle im Leben des Menschen, und jede Ideologie beantwortet
die Frage: „Warum produzieren wir?“ Und: „Welche
Rolle spielt der Reichtum?“ Auf ihre spezielle Art und
Weise, je nach ihrer geistigen Grundlage und der allgemeinen
Sichtweise, welche sie sich zueigen macht.
Wenn wir die im Islam implizierte
Ideologie oder irgendeine andere Wirtschaftsideologie und
deren Haltung zur Produktion untersuchen, dann genügt es
nicht, zu wissen, dass sich die Ideologie zum Prinzip der
Entwicklung von Produktion und Reichtum bekennt, sondern wir
müssen die geistige Grundlage dafür erfassen, welche das
Verständnis der Ideologie vom Reichtum und dessen Rolle und
Zweck erklärt. So kann sich die Entwicklung von Reichtum auf
einer bestimmten geistigen Grundlage von dessen Entwicklung
auf einer anderen Grundlage unterscheiden, je nach dem Rahmen
für die Entwicklung und der Art und Weise, wie diese
verwirklicht werden soll, was jeweils von der geistigen
Grundlage bestimmt wird. Wenn wir die geistige Grundlage für
die Entwicklung definieren wollen, dürfen wir die
Wirtschaftsideologie, in ihrer Eigenschaft als Teil eines
vollständigen zivilisatorischen Konzepts, nicht isoliert von
der Kultur, zu der sie gehört, und deren Welt- und
Menschenbild betrachtet. In diesem Sinne werden wir uns den
Kapitalismus und die islamische Wirtschaftsideologie vornehmen
und deren jeweiliges Verständnis von der Produktion und ihrer
Rolle und ihrem Ziel untersuchen, und zwar nicht nur in deren
Eigenschaft als zwei Wirtschaftsideologien, sondern auch in
deren Eigenschaft als zwei verschiedene kulturelle
Ausrichtungen, um die geistige Grundlage für die Entwicklung
der Produktion aus der Sicht des Islam mit der geistigen
Grundlage für die Entwicklung von Reichtum im Kapitalismus zu
vergleichen.
Die moderne materielle Zivilisation,
deren wirtschaftsideologische Ausrichtung sich im Kapitalismus
manifestiert, erachtet gewöhnlich die Vermehrung von Reichtum
als Selbstzweck und primäres Ziel, weil nach den Maßstäben, an
denen sich der Mensch dieser Zivilisation in seinem Leben
orientiert, die Materie alles bedeutet, und er kein darüber
hinausgehendes Ziel sieht. Daher bemüht er sich, den Reichtum
um seiner selbst willen zu mehren und das höchstmögliche Maß
an materiellen Wohlstand zu verwirklichen. Desgleichen
betrachtet der Kapitalismus bei den Methoden, die er zur
Errichtung dieses Zieles verfolgt, die Entwicklung des
Reichtums insgesamt, unabhängig von dessen Verteilung, und
meint, dieses Ziel erreicht zu haben, wenn sich der gesamte
Reichtum der Gesellschaft vermehrt hat, ohne Rücksicht darauf,
in welchem Maße sich dieser Reichtum in der Gesellschaft
verbreitet hat, und welcher Anteil am Wohlstand und
Prosperität deren einzelne Mitgliedern zufällt. Daher
propagiert der Kapitalismus im beginnenden Industriezeitalter
die Verwendung industrieller Maschinen, weil sie zur
Vermehrung des gesamtgesellschaftlichen Reichtums beitrugen,
auch wenn diese tausende von Menschen, welche die neuen
Maschinen nicht besaßen, arbeitslos machte und deren Existenz
ruinierte. Der Reichtum ist also in der materiellen
Zivilisation ein Selbstzweck, und nach kapitalistischen
Kriterien wird die Entwicklung von Reichtum an der Vermehrung
des gesamten in der Gesellschaft vorhandenen Reichtums
gemessen. Und das wirtschaftliche Problem steht nach
kapitalistischer Denkweise im Zusammenhang mit der zu geringen
Produktion, mit der mangelnden Freigebigkeit der Natur, und
damit dass diese nicht allen Erfordernissen gerecht wird.
Daher sei die Behebung dieses Problems abhängig von der
Entwicklung der Produktion, von der weitestmöglichen
Ausbeutung und Mobilisierung der natürlichen Potentiale, und
von der Überwindung ihres Widerstandes und ihrer vermehrten
Unterwerfung durch den Menschen.
Der Islam nimmt zu allen diesen
Gesichtspunkten einen gegensätzlichen Standpunkt ein. Die
Entwicklung des Reichtums ist nicht das eigentliche Ziel im
Islam, auch wenn es zu den von ihm angestrebten Zielen gehört.
Der Islam betrachtet die Entwicklung des Reichtums nicht
unabhängig von dessen Verteilung, und nicht nur im Hinblick
auf den gesamten Reichtum der Gesellschaft. Und er glaubt
nicht, dass das wirtschaftliche Problem seinen Ursprung in der
zu geringen Produktion hat, so dass dessen grundsätzliche
Abhilfe in der Entwicklung des gesamtgesellschaftlichen
Reichtums läge. Im Folgenden wird der Standpunkt des Islam
detailliert ausgeführt.