Musawi Lari

Westliche Zivilisation und Islam

Sayyid Mudschtaba Musawi Lari

Ins Englische übersetzt von J.F. Goulding, hiernach ins Deutsche übertragen durch R.H. Sengler

Das folgende Manuskript ist eine geringfügig überarbeitete und sprachlich verfeinerte Version der 1995 in Qum erschienenen deutschen Übersetzung.

Delmenhorst 2004

Der Islam und die Stellung der Frau

Die lautstarken Befürworter der Frauenemanzipation im Westen haben keine Ahnung, was für einen revolutionären Sprung nach vorn der Islam für die Stellung der Frau vollbracht hat. Als der Islam auf der Bildfläche er­schien, gehörten die Frauen bloß zur beweglichen Habe der Männer - kaum besser als Haustiere. Und doch hat der Westen trotz all seiner prahlerischen Freiheit dem, was der Islam den Frauen brachte, nichts hinzuge­fügt außer Freiheit für vermehrte Verderbtheit und Zügellosigkeit. Der Islam verbietet Liederlichkeit, Laxheit, Vulgarität, Entwürdigung und Demoralisierung. Damit die Höherentwicklung der Frauen gemindert wird?

Der Islam sieht sowohl Mann wie Frau als gottgeschaffen an, damit sie sich zur ganzen Höhe vollkommenen Menschseins entwickeln. Das steht in scharfem Gegensatz zu Versionen des Himmlischen Buches, an denen Ju­den und Christen herumgedoktert und mit der Lesart veröffentlicht haben: „Auf 1000 Männer kommt ein von Gott Geliebter; aber unter allen Frauen der Welt findet sich nicht eine, die sich der Gnade und Gunst Gottes er­freut.“ (Mein Zitat stammt aus „Islamische und arabische Kultur“. S. 519. einem autoritativen Werk, dem man gebührenden Respekt zollen muss).

Der Islam verkündet, das es in den Augen Gottes keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt. Jeder hat eine kostbare Seele. In Seinen Augen ist alles, was Menschen unter ihresgleichen auszeichnet, das sie sich durch sittlichen Wert, Frömmigkeit, Ehrfurcht, geistige und sittliche Eigen­schaften hervortun. Es steht sowohl Männern wie Frauen frei, diese Art Aus­zeichnung zu erreichen. Am Tag des Jüngsten Gerichts wird jede Seele ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht nach den Früchten ihres Tuns gewogen, und zwar nach den oben genannten Kriterien. Wie es in Sure XXVII: NahI­ - “Biene“ sinngemäß geschrieben steht: „immer gläubig ist und geziemende Taten vollbringt, Mann oder Frau, dem verfüge Ich als ihre Bestimmung ein Le­ben voller Genüge, welches der betreffenden Seele einen höheren Lohn ge­winnen wird als die guten Taten, die sie vollbracht hat.“ Man vergleiche Sure XXVIII: Qasas - „Die Erzählung“. V. 84: „Wer auch immer Gutes tut, dem wiegt der Lohn mehr als die Tat.“

 Beim Islam ergänzen Männer und Frauen einander. Wie in Sure III: Aal-i-Imran - „Imrans Familie“, V. 195, geschrieben steht: „Der Herr hat ihr Gebet erhört und geantwortet: ,Niemals werde Ich es dulden, das die Arbeit irgendeines von euch, Mann oder Frau, verloren geht. Ihr ergänzt einander.“

Viele Frauen besitzen so viele persönliche Vorzüge und so viel Verstand, das sie stattliche Höhen an wahrem Menschsein und Glück erreichen. Viele Männer fallen leider in die tiefsten Tiefen, weil sie sich über die Vernunft lustig machen und ihren Leidenschaften hörig werden.

Es wird berichtet, das bei einer Gelegenheit der zweite Kalif, Omar, von der Kanzel in Gegenwart einer großen Menschenmenge sagte: „Ich werde jeden Mann bestrafen, der seiner Braut 500 Darhams oder mehr als Aus­steuer gibt. Er wird die gleiche Summe, womit die Aussteuer die Mahr-as­Sunna (traditionelle Aussteuer) übersteigt, dem Schatzamt geben müssen.“ Da schrie eine Frau am Fuße der Kanzel laut auf und tat ihren Widerspruch zu Omars Erklärung kund: „Was du da aussprichst. widerspricht Gottes Gesetz, denn sagt nicht die Sure IV: Nisa’a - „Die Frauen“, Vers 20: ,Aber wenn du beschließt. eine Frau anstelle einer anderen zu nehmen - selbst wenn du der Frau, von der du dich trennst, ein ganzes Talent Gold als Hei­ratsanteil gegeben hast, darfst du nicht das kleinste bisschen davon zurück­behalten’? Wie kannst du dann im Widerspruch zum Gesetz Gottes, wonach es ja erlaubt ist, ihr mehr als den gesetzlichen Heiratsanteil zu ge­ben. einen solchen Rückzieher machen?“ Omar sagte, er könne diese Ver­dächtigung nicht bestreiten und zog seine Absicht mit den Worten zurück: „Hier hat ein Mann geirrt und eine Frau die Wahrheit gesprochen.“

Man vergleiche damit die tragische Unterdrückung und Rechtlosigkeit der Frau im vor-islamischen Arabien. Was für eine hohe Würde hat der Islam dem weiblichen Geschlecht übertragen, wenn eine Frau in aller Öffentlichkeit ihre Stimme erheben darf, um einen Kalifen zurechtzuweisen und ihn dazu zu bringen, etwas zu widerrufen, was er selbst eben erst Öffentlich geäußert hatte! Der Islam nahm den Männern das Recht, Frauen einfach zu besitzen. Er führte die Gleichheit der Geschlechter ein, wobei er die Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Wesensart wohl be­achtete.

Im 19. Jahrhundert entschieden Kirchenführer in Frankreich nach langen Diskussionen: „Die Frau ist ein menschliches Wesen, aber geschaffen. dem Manne zu dienen.“ Erst seit kurzem haben europäische Frauen das Recht auf eigenen Besitz. In England wurden die Frauen erst etwa ab 1850 bei den Volkszählungen aufgeführt. 1882 gewährte ein britisches Gesetz, beispiellos in der Geschichte des Landes, den Frauen zum ersten Mal das Recht zu be­stimmen, wie sie ihren eigenen Verdienst ausgeben wollten, statt ihn gleich ihren Männern auszuhändigen. Bis dahin war sogar die Kleidung der Frau Eigentum ihrer Männer gewesen. Heinrich VIII. hatte zu seiner Zeit den Frauen sogar verboten, die Bibel zu lesen, als die ersten englischen Übersetzungen erschienen.

Vor vierzehn Jahrhunderten hatte der Islam die völlige finanzielle Unab­hängigkeit der Frauen festgelegt, also ihr Recht Eigentum zu besitzen und darüber zu verfügen, ohne das ein Mann ihnen dreinredete; auch Geschäfte, Handel und sämtliche Transaktionen zu betreiben, die von Gewinn und Ver­lust ihrerseits handelten, notarielle Schenkungen einbegriffen. ohne sich mit irgend jemand darüber abzustimmen. Wie in der Sure IV: Nisa’a - „Die Frauen“, V. 33, sinngemäß geschrieben steht: „Begehre in keiner Weise Gaben, die Gott anscheinend einigen freizügiger als anderen verliehen hat. Was auch immer ein Mann verdient, gehört ihm. Was auch immer eine Frau verdient, gehört ihr. Bitte Gott um das Geschenk seiner Vorsehung, denn Er kennt alle Dinge.“

Außer Eigentumsrechten hat der Islam den Frauen auch eine eigene Würde, Rechte und Freiheiten verliehen. Dies trifft nicht weniger aufs Hei­raten zu. Die Heirat ist der wichtigste, ihre Feinfühligkeit am meisten be­treffende Schnitt im Leben einer Frau. Der Islam tat alles. um sie darin si­cherzustellen und es ihr zu ermöglichen, die finanzielle wie auch alle ande­ren Seiten der Situation abzuwägen, bevor sie eine Ehe einging.

Dies also sind die Rechte und Vorrechte, welche die europäischen Frauen ihren Männern abtrotzten, nachdem sie energischen Druck auf die Gesell­schaft, worin sie lebten, ausgeübt hatten, und sie erreichten das erst vor re­lativ kurzer Zeit. Der Islam hat das schon von vielen Jahrhunderten freiwillig allen Frauen verliehen, ohne das es vorher Druck oder Revolten gegeben hätte. Überhaupt gibt es keinen Augenblick im Leben einer Frau, kein Pro­blem, dem sie gegenüberstehen könnte, wofür der Islam nicht wohltätig und weise vorgesorgt hätte.

Es ist schon richtig, das heute viel zu viele Frauen im Osten zu einem unbefriedigenden Leben verurteilt sind. Aber das kommt nicht von den Vorschriften des Islam. Schuld daran ist die Vernachlässigung religiöser Vorschriften in politischer, sozialer und finanzieller Hinsicht.

Armut ist ein wichtiger Grund für die schlimmen Verhältnisse, unter de­nen Frauen im Osten zu leben haben. Einige wenige sind zu reich, aber die Mehrheit viel zu arm, sind Opfer von Hunger und Elend. Die sich daraus ergebende Schwäche hat ihre Kraft erlahmen lassen, aufzustehen und eine Änderung ihrer Lebensverhältnisse zu verlangen, nämlich der Familien und der Kinder wegen. Und dann haben die Frauen in einer solchen Lage nicht die Macht, sich ihrer gesetzlichen Rechte zu bedienen und gegen ihre Männer wegen Gewalttätigkeit und Tyrannei ihres Verhaltens von Gericht zu gehen. Frauen fürchten die Schwierigkeiten, ohne einen Mann als Gefährten in einer Welt der Männer zu leben. Dieselben wirtschaftlichen Nöte verursachen ein Absinken in der Moral und der Zuneigung zueinander. Gewalt und Unrecht treten an die Stelle mo­ralischer Werte.

Obwohl die Länder des Islam mit am schlimmsten unter diesem Unheil von heute leiden, hat nicht eigentlich der Islam, sondern die bewusste Vernachlässigung seiner Glaubensgrundsätze durch die Muslime und ihre Füh­rerschaft uns diese Tragödie beschert. Denn im Islam besitzen wir die stärksten Gegenkräfte gegen Armut und Unrecht; er verlangt. das der Reichtum unter die Menschen jeglicher Klasse gerecht verteilt werde und erklärt aus­drücklich, es sei unbillig, wenn Menschen in nackter Not leben müssen, also in seelischer Bedrängnis, und das bei Frauen und Kindern.

Haben wir nicht genug weitsichtige und kluge Männer, um dieser Missstände Herr zu werden? Um den Verbitterung zu begegnen, die sich daraus ergibt? Um die gesunden Maßstäbe des Islam wieder in Kraft zu setzen? Um den Respekt vor den Geboten den Frömmigkeit und den Verehrung Gottes, der Achtung vor den Menschen wiederherzustellen? Sollte nicht der gleiche Islam, der einst die Frau aus demütigender Abhängigkeit rettete, sie wieder aufrichten, indem er eine neue Gesellschaft gründet?

Wie ist die Lage im Westen? Die Frauen sind Opfer schamlosester Lei­denschaften geworden, denen sich die Männer unter dem Einfluss subversiven Propaganda aller Arten hingegeben haben, wobei die Massenmedien, voran das Kino und Fernsehen und die Plakate, die die Bretterzäune un­serer großen Städte verschandeln, eine so verhängnisvolle Rolle spielen.

Heutzutage entstammen der gute Ruf und die Würde einer Frau nicht wie ehedem ihrem Schatz an moralischen Vorzügen, ihrer Erziehung und Bil­dung. Zu oft bleiben fromme und gebildete Frauen Mauerblümchen. Re­spekt und Ansehen sind zu sehr mit der Bezeichnung „artiste“ (Sängerin bzw. Tänzerin) verknüpft, die sich manche Frauen zulegen. Sie haben keine nützliche Funktion in der Gesellschaft. Sie helfen den Männern nicht wei­ter. Das Wort „artiste“ scheint mir eine Menge Fragezeichen zuzudecken: mangelnde Enthaltsamkeit und Ausschweifungen, also das genaue Gegen­teil jener Vortrefflichkeit und Reinheit, worauf die Ehre der Frauen einst beruhte. Wie viele verdienen sich einen schimpflichen Lebensunterhalt als Modelle?

Ein amerikanischer Soziologe schreibt, eine moderne Stripteasetänzerin könne sich eine Million Dollar im Jahr verdienen; ein Bursche, der einen anderen mit den Faust Knockout schlagen kann, bekommt 1/2 Million und ein Mann, der ein ganzes Leben im Dienste seiner Mitmenschen verbracht hat, findet, wenn er weißhaarig geworden ist, kaum genug, um zu existieren.

Professor Albert Connolly schreibt: „1919 kämpften Englands Frauen um das Recht. ins Parlament gewählt zu werden, und bei diesem Kampf gingen sie ins Gefängnis, litten körperlich in furchtloser Verteidigung ihres Ge­schlechtes. Wie werden ihre Enkelinnen die Rechte an, die diese mutigen weiblichen Pioniere für sie errungen haben? Und wie würden ihre Großmutter über sie denken? Vielleicht drehen sie sich tatsächlich im Grabe herum, wenn sie sehen, wie die Freiheiten, die sie erkämpft haben, in scham­lose Permissivität verkehrt worden sind. Dieses letzte halbe Jahrhundert hat uns gelehrt, das die Befreiung der Frau nicht genügt. Bei allen Opfern, welche die Frauen für ihre Sache bringen, scheinen sie ihre Augen zu verschließen vor dem, was früher galt: der sittlichen Würde und der Hingabe für ein neues Menschenbild, was in früheren Zeiten dem Namen „Frau und Mutter“ Ehre eingetragen hat.“ (Zitiert aus The Enlightened Thinkers “Magazine”, Nr. 829).

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