Ein Iraner in Europa
Dem Autor widerfuhr das
Missgeschick, ärztliche Hilfe in Europa in Anspruch nehmen zu
müssen. Man brachte mich in ein katholisches Krankenhaus in
Deutschland. Dort hieß man mich willkommen und gewährte mir
die Pflege, welche christliche Patienten erhalten; in meinem
Zimmer wie in jedem anderen hing eine Statue von Jesus und ein
Bild der Jungfrau mit dem Kind. Regelmäßige Gebete für die
Heilung der Kranken wurden in der Kapelle veranstaltet! Eines
Tages sah ich, wie man vor dem Bildnis Jesu in einem der
großen Säle des Gebäudes Kerzen anzündete. Man stelle sich das
vor! bei hellem Tageslicht eine Kerze anzünden neben einer
Statue aus Menschenhand, und das inmitten von Wissenschaft und
Gelehrsamkeit! Was für einen Aufschrei würde es geben, wenn
ein simpler Bauer im Iran in dunkler Nacht eine Kerze am
Schrein eines Heiligen anzünden wollte! Wie unsere „gebildete“
Jugend ihn und seine „altmodische“ Art verspotten würde!
Nie vergesse ich die
Gelegenheit, als Blut für eine Transfusion benötigt wurde. Der
Chefarzt fragte mich: „Was für Blut gestattet der Islam für
Transfusionen? Dürfen Muslime nicht-muslimisches Blut
erhalten? Wir werden gemäß ihren islamischen Prinzipien Blut
für Sie zubereiten.“
Entwickelte Länder ziehen
freiwillige Grenzen im wahren Interesse der Freiheit. Denn
diese Grenzen sollen denn Missbrauch der Erzeugnisse der
Zivilisation verhindern. So zeigt das Fernsehen
Sportveranstaltungen, hält Lehrveranstaltungen ab, zeigt das
Leben entfernter Länder, kurz, es widmet den größeren Teil
seines Bildschirms erzieherischen Programmen.
Im Namen der Freiheit ist es
jedermann untersagt, sein Radio so weit aufzudrehen, dass es
Nachbarn oder Vorübergehende belästigt. Niemand darf Partys
bis in die frühen Morgenstunden geben; sie könnten die
Nachbarn stören. Und so ist es auch: wenn Sie sich auf der
Straße befinden, hören Sie nie ein Radio. Allerdings stimmt es
auch, das ich einmal Radiolärm hörte, wovon die Erde
erzitterte. Ich verließ gerade mein Hotel und war verblüfft,
denn es war das erste Mal, das mir so etwas in Europa
begegnete. Und was für Musik bestürmte meine Ohren? Iranische
Musik! Ich ging der Sache nach. Am nächsten Tag traf ich
zufällig einen Iraner, der sich in der Nähe des Hotels
einlogiert hatte. Während unserer Unterhaltung erwähnte ich so
nebenbei den Vorgang. Er legte den Finger auf die Lippen und
gestand mir lachend, das er selbst diesen Lärm am Tag zuvor
verübt hatte: Er wollte bloß mal sehen, was passieren würde!
Es stimmt schon, das wir im
Iran den richtigen Gebrauch moderner Annehmlichkeiten noch
nicht gemeistert haben. Warum? Wir sind eben abgewichen von
dem Pfad, den die uns überkommenen Grundsätze vorgezeichnet
haben und haben Schande auf uns gehäuft. Jedermann kennt die
unerwünschten Effekte von Fennsehdarstellungen des Lebens.
Viel Tadelnswertes am Verfall der Moral der Gesellschaft liegt
vor ihrer eigenen Tür. Die Zuschauer gewinnen von solchen
Filmen und Programmen nur ein gesteigertes Verlangen nach
moralischer Fäulnis und Gewalt.
In ganz Iran dringt Radiolärm
von überall her nervensägend auf uns ein. Nie wollten
Entdecker und Erfinder ausgerechnet die Art von Profit
garantieren, die jetzt aus der Ausschlachtung ihrer
Geisteskinder gewonnen wird, und sie hatten auch nie eine
solche Garantie gegeben, denn nichts lag ihren Gedanken ferner
als die Idee, das ihre Produkte, die für einen vernünftigen
Gebrauch bestimmt waren, eines Tages Leuten in die Hände
fallen könnten, die sie zu Zwecken verwenden würden, die
geradeheraus schädlich sind und die Bevölkerung eines Landes
wie des unsrigen mit tödlichen Gefahren bedrohen.
Ohne jede Ausnahme können
alle Industrieerzeugnisse, Werkzeuge und Produkte
gleichermaßen, dem Prozess zum Opfer fallen, mit dem
gewinnsüchtige Profitgierige aus der öffentlichen Nachfrage
persönliche Vorteile ziehen. Die natürliche Unvernunft der
Menschen, die Tendenz, missverstandenen Einstellungen
nachzueifern, lässt die Selbstsucht grassieren, so dass die
Leute in technologischer Geschäftemacherei zum tragischen
Verderben anderer förmlich wetteifern. Die Wurzel dieser
Tragödie muss eher in den Bereichen von Bildung und Weisheit
gesucht werden als bei Unwissenheit und Dummheit! Wenn ein
Muslim die Menschlichkeit und Höflichkeit abgibt, welche ihm
seine Religion auferlegt, ist das sicherlich ein Makel von
schockierenden Dimensionen! Gott verhüte, das in unserem Lande
solch ungezügelter Eigennutz, solches Unrechthandeln im Namen
der „Freiheit“ zugelassen werden und sich ungehemmt wie böse
Krankheiten ausbreiten.