Teil I - PHYSIOGNOMIE DES WESTENS
Genesis von Leben und Kultur des Menschen
Jeder Fontschnitt in der
Untersuchungen über die Ursprünge des Lebens auf unserem
Planeten drängt die Daten für seine Entstehung in immer
fernere Zeiten zurück und vermehrt die Rätsel, die es zu
entwirren, und die Probleme, die es zu lösen gilt. Obwohl das
menschliche Leben als solches verhältnismäßig jungen Datums
ist - ein winziger Bruchteil des Zeitraums, in dem der Planet
bereits lebende Materie ernährt hat - verdunkelt doch viel
Ungewissheit die Ursachenforschung seiner Entstehung.
Nichtsdestoweniger haben Wissenschaftlern und Paläoelogen es
vermocht, durch Ausgrabungen, Bergung von Artefakten, Getreide
und anderen Spuren menschlicher Handfertigkeit die
Aufwärtsentwicklung des Menschen durch eine Reihe
geschichtlichen Einschnitte wie folgt zu skizzieren:
a)
Das
Paläolithikum - gekennzeichnet durch den Gebrauch einfacher
Waffen für die Tötung von Tieren zur Selbstverteidigung oder
Nahrungsbeschaffung; Steine, Stöcke und ähnliche
Jagdwerkzeuge; Wildheit und Rohheit aus ständiger Furcht vor
den Tieren; Höhlen und Erdlöcher als Schutz vor räuberischen
Fleischfressern und von der Dunkelheit. Vorrang bekam der
fähigste Jäger; alle menschliche Anstrengung war auf die
Besiegung von Gegnern ausgerichtet, ob es nun die feindliche
Natur, Tiere oder Menschen waren.
b)
Das
spätere Paläolithikum - Zum ersten Mal ging der Mensch dazu
über, statt vorhandene Gegenstände als Werkzeuge zu
gebrauchen, selbst welche herzustellen: Er band einen Stock an
einen Stein und erfand so den Hammer, er brachte scharfe
Kanten zuwege, indem er Feuersteine bearbeitete; so entdeckte
er bald die Kunst, Feuer zu schlagen und damit Nahrung zu
kochen und ebenso der Nacht und der Dunkelheit Herr zu werden.
Diese Entwicklungen zogen sich durch viele Jahnhunderte hin,
bis das Paläolithikum schließlich überwunden wurde und
c)
die
Jungsteinzeit einen vielseitigen und mannigfachen Wandel im
Dasein des Menschen brachte. Die Antefakten wunden zwar immer
noch aus Stein und Holz hergestellt, aber die rohen, plumpen
Geräte des Paläohithikums wurden durch prächtig regelmäßige,
genaue und geglättete Werkzeuge ersetzt. Man baute Hütten aus
geflochtenen Weiden, die mit Schlamm übertüncht wurden. Die
Erde wurde zu Töpfen und Kannen geformt, sodann zuerst in der
Sonne und späten über dem Feuer getrocknet. Getreide wurde
angepflanzt und der Boden zunächst einfach bearbeitet;
bestimmte Tiere wurden gezähmt. Man lernte, welche Körner als
Brotfrucht auszusäen, welche Bäume zum Obst; und
Holzgewinnung zu hegen seien. Der Mensch erfand Pfeil und
Bogen und gewann so Oberhand über einige gefährliche Tiere; er
erfand den Speer zum Fischfang. Die Pfeilspitzen, die Speere
und Äxte bestanden aber immer noch aus zugehauenen Steinen.
Aber das Geschick wuchs durch die Jahnhunderte (die uns ihre
Spuren hinterlassen haben, damit wir ihr Leben rekonstruieren
können), und führte sie schließlich aus der Steinzeit in die
d)
Bronzezeit: Metalle leiteten das, was wir Zivilisation nennen,
erst richtig ein. Zivilisation hat die gleiche Wurzel wie das
römische „civis“ und bedeutet „Leben in den Gemeinschaft“. Das
drückt auch das „Ta-maddun“ des Arabischen aus (Wurzel M-D-N =
(Stadt- oder Gemeinschaftsleben); das gleiche meint „Politik“
und „Polizei“ aus dem griechischen „polis“, „urban“ von „urbs“
usw. Denn hiermit erhielt das Leben des Menschen einen neuen
Aspekt, betrat eine neue Phase. Der Mensch war nicht mehr ein
bloßes hungriges Tier, das immerfort mit der Nahrungssuche zu
tun hatte. Von der Konzentration auf seinen Bauch und dessen
Bedürfnisse schwang er sich zu Träumen und Visionen, zu einem
aktiven Bewusstsein dessen auf, woraus die Welt um ihn
bestand. Je mehr Siege er errang in seinem Kampf mit der
Natur, desto mehr Wünsche und Notwendigkeiten empfand er. Er
befreite sich aus der Barbarei und fand endgültig den Weg zur
Zivilisation: befreit von den Fesseln der Unwissenheit und
Dumpfheit, die ihm seine Lage aufgezwungen hatten, machte er
sich auf den Pfad des Lernens und systematischen Wissenschaft.
Der Fontschnitt des menschlichen
Lebewesens hob sich vom Stillstand anderen Arten durch einen
geistigen Faktor ab. Eine innewohnende Eigenschaft, die wir
Intellekt oder Verstand nennen, die erstaunlichste aller
Phänomene, gab dem Menschen rückblickende Erkenntnis und
Voraussicht, Vergangenes einzuordnen und zu verbessern und
neuartige Methoden bereitzuhalten. Jeden Schnitt nach vorn
prägte sich dem Erinnerungsvermögen des Stammes ein. Ein
Gefühl von Nicht-Befriedigsein über Unvollkommenes spornte ihn
an, es besser zu machen. So entfaltete sich jenes unsichtbare,
unbeschreibliche, wunderbare Phänomen des „Geistes“. Sein
Licht bewinkt, das er Gegenstände und Ereignisse bemerkt,
darüber reflektiert, aus der Erfahrung lernt und die
gewonnenen Informationen in jenem erstaunlichen Computer, den
wir „Gehirn“ nennen, als „Gedächtnis“ speichert. Dort steht
es fortan zur Verfügung für den Entwurf neuer Hypothesen,
Visionen, Experimente und Fortschnitte.
Zwei weitere Erzeugnisse
menschlichen Scharfsinns entwickelten sich im Nebel
prähistorischer Zeiten:
1.
Die
Erfindung des Rades, für den Transport - zuerst nur für das
Rollen schwerer Gegenstände auf Baumstämmen, dann die Achse
zwischen runden Scheiben, dann der daraus entwickelte Wagen,
eingefügt zwischen nichtigen Rädern mit Achse, Naben,
Speichen, Felgen und Reifen.
2.
Die
Sprache - Geräusche, die man begriff als Mittel, Impulse von
einem menschlichen Gehirn zu einem anderen weiterzuleiten;
sodann die Übereinkunft, bestimmten Lauten, die jedes Mal
ausgestoßen wurden, die gleiche Bedeutung zuzuerkennen
(Knurren für Furcht oder Warnung, Brüllen für Zorn, Gurren aus
Liebe); dann die Bezeichnung von Ausdrücken, Befehlen wie
„komm“, „geh“, „hole“, „lauf“, bis zu Abstraktionen,
Begriffen, Ideen, Projekten und Verehrung der Kräfte, welche
die launische Natur beherrschten. Mit der Sprache entstand
Gemeinschaft und der Keim zu wahrer Zivilisation. Als
schließlich bestimmte Zeichen als Repräsentanten bis dahin
willkürlicher Laute akzeptiert wurden, welche Gedanken
darstellten, entstand aus den Vorgeschichte die geschriebene
Geschichte.
Vorgeschichte wird
zurückverfolgt aus Spuren und Beweismaterial, das ausgegraben
und interpretiert wird. Geschichte beginnt da, wo es
schriftliche Aufzeichnungen zu konsultieren gilt. Diese
Erfindung des Schreibens war der revolutionärste Blitz des
Genius. Es fing mit Besitzlisten an, Geldanweisungen, die
durch Abbilder der Gegenstände dargestellt wurden (Schafe,
Vieh, Gefäße, Kornmaße), dann mit Strichreihen, welche Zahlen
bedeuteten; dann mit Symbolen, welche die Natur der
Transaktion bezeichneten, also die Namen und Empfänger, und
so schrittweise bis zu Symbolen für jedes beobachtete
Phänomen, für ihre Beziehungen untereinander und schließlich
für Abstraktionen wie Farbe, Gestalt und Begriff. Einige
Völker, wie die Chinesen, blieben im Bildstadium stehen (siehe
ägyptische Hieroglyphen). Andere Völker gingen weiter und
analysierten die wortbildenden Laute, wobei das gleiche
Zeichen für den gleichen Laut genommen wurde, unabhängig von
seinen Bedeutung. In diesen besitzen wir alles, was wir von
den vergangenen sechs Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte
wissen.
Inzwischen machte die
Holzbearbeitung große Fontschnitte. Genaues Messen wurde
möglich. Man lernte, dem Gestein durch Schmelzen Erze zu
entlocken, sie zu gießen und zu härten - zunächst Weichmetalle
wie Zinn und Kupfer und ihre Legierung, die Bronze. Als man
diese Fertigkeiten auf das härtere Eisen anwandte, wich die
Bronzezeit der „Eisenzeit“ und damit dem wahren Beginn der
Moderne.
Von 4000 Jahren dämmerte dem
Stammvater Abraham die wahre Religion, als er dem Ruf des
allmächtigen Gottes auf babylonischer Erde Folge leistete. Der
Weltschöpfer beauftragte ihn mit der Aufgabe, die
babylonische Gesellschaft aus der Finsternis herauszuführen.
Er erhielt das erste Apostolat als Sprecher Gottes, um die
Menschheit aus Aberglauben und Sünde um sich zu scharen.
Natürlich traf er auf Opposition, auf Widerstand von solchen,
denen angestammte Interessen auf Falschheit und Sünde
beruhten. Aber Abrahams prophetische Verkündung des
Monotheismus und der sittlichen Gottesverehrung ließ ihm eine
Gefolgschaft erstehen, welche die vereinigte Front seiner
Gegner - die Anhänger Ahrimans und der Möchtegern-Despoten
über den Geist des Menschen - bei weitem übertraf. Abraham
gehorchte dem Ruf, seine väterliche Heimat zu verlassen, und
nach vielen Tausenden von Meilen nomadischen Dahinziehens fand
er seine Heimstatt im Hidschas, wo sein Sohn Ismael den
zentralen Schrein des Monotheismus aufrichtete.
Siebeneinviertel Jahrhunderte
von Christus wurde Rom gegründet und breitete in den folgenden
Jahrhunderten seine Herrschaft weithin aus. Nicht lange nach
der Gründung Roms stand Zoroaster (Zardusht) im Iran auf und
ersetzte die Zauberkünste der Magier durch rationale und
ethische Beziehungen zwischen den Menschen und dem Gott des
Guten im ewigen Kampf gegen das Böse. Fast im gleichen
Jahnhundert legten Konfuzius und Lao-Tse in China und Gautama
den Buddha in Hind den Grund zu einer Weltanschauung, die von
Sokrates, Platon und Aristoteles in Griechenland während des
darauffolgenden Jahnhunderts fortentwickelt wurde. All dies
fand seine Vollendung in der Geburt und dem Leben des Jesus
Christus durch seinen Ruf, die menschliche Gesellschaft zu
erneuern, die Menschheit von den Beschmutzungen des
Materialismus unter Juden zu befreien, Fäulnis und
gegenseitigen Totschlag auszurotten und der Menschheit den
Weg zu ethischer und spiritueller Reinigung zu weisen. Dieses
Zeitalter wurde durch ein Wachstum an gegenseitigem Austausch,
Gewerbe, Baukunst und ärztlichem Geschick gekennzeichnet.
476 AD begann das Mittehalter
in Europa. Die Kirche steigerte ihre weltliche Macht zu
geistigen Führerschaft und beherrschte das Denken und Leben
den Gesellschaft, während Europa in die dunklen Zeiten
barbarischer Invasion, Unwissenheit, Blutvergießens,
nationalistischer und Stammes-Eifersüchteleien verfiel.
Im Osten unterdessen
begründete die Kultur des Islam ihre Herrschaft (s. Teil II).
Im Jahre 1453 nahm Sultan Mohammed Fatih Istanbul ein und ein
neues Zeitalter begann. England, Frankreich, Deutschland,
Österreich, die neuen unabhängigen Nationen, wetteiferten in
Europa miteinander um Ausdehnung. Der magnetische Kompass
befähigte die Schiffe, den Atlantik zu überqueren und Amerika
zu entdecken. Eine Renaissance der Gedanken und des
Wissens fegte über Europa und brachte geordnete
internnationale Beziehungen zustande, bis die Französische
Revolution von 1789 diesem Zeitalter ein Ende bereitete; die
Industrielle Revolution beherrschte das 19. Jahrhundert und
veränderte das Antlitz Europas. Eine Erfindung folgte der
anderen, die Entdeckungen überstürzten sich. Die Geschichte
Europas trat in ihre neueste, moderne Phase ein.