Gottesdienst
Das Eingreifen der westlichen
Kirchen in kulturelle und soziale Angelegenheiten, ihre
Predigten, um die Sittlichkeit zu heben und die Herzen der
Menschen wieder zu reinigen, haben trotz aller
Propagandamaschinerie und weltlichen Macht wenig Wirkung
gezeitigt. Es hat weder den Bankrott des Geistes aufgehalten,
noch das schrankenlose Sichgehenlassen gezügelt, dem sich die
Abendländer hingeben. Wie kann aber auch eine Religion, welche
ihren Anhängern unbegrenzte Freiheit gewährt, überhaupt noch
hoffen, sich den Krallen der Umstürzler, welche die
Schmutzfinken im Griff haben, zu entwinden oder das giftige
Wuchern der Sittenfäulnis auszurotten?
Gottesdienst, Frömmigkeit und
wahre Menschlichkeit müssen mit dem einzigen Ziel angegangen
werden, sich Gott in reiner Absicht zu nähern. Aber diese
Allerweltsärzte haben den Pfad verlassen. Sie sind selbst
pervertiert.
Manche Kirchenführer, die
einen festen Damm bilden sollten, um die Fluten der Fäulnis
einzudämmen, sind selbst Opfer der vorherrschenden Mode
geworden, alles zu erlauben. Wie kann das Christentum noch
eine Wiedergeburt, eine moralische Erneuerung im Westen
erreichen? Wie können derartige Institutionen der Menschheit
wieder reine Herzen einpflanzen, ohne welche der Mensch Gott
nicht erkennen kann? Und doch kann die Welt nur aus ihrer
moralischen Krise wieder aufsteigen, wenn sie den Weg innerer
Reinheit durch Erneuerung und Wiedergeburt beschreitet.
Die „Teheraner Wochenzeitung“
(Nr. 1089) berichtet: „Geistliche suchen die Abweichler mit
Tanz und Musik in die Kirche zu locken. Reverend Francis Mieux
in Toronto, Kanada, der seit 35 Jahren ordiniert, ist ein
geübter Musiker, Komponist sowohl ein Priester, Verfasser von
1500 volkstümlichen Melodien, ein Priester, der die Berufe des
Geistlichen und des Künstlers vereint.“
Aber solche Erzeugnisse an
einer Stätte der Anbetung vorzuführen, bedeutet das nicht,
sich über die Religion lustig zu machen? Zu den feierlichsten
Verkündigungen aller Propheten Gottes gehört die Versicherung,
das niemand Gott und dem Mammon dienen kann und das es kein
Entrinnen gibt vor den Verunreinigungen durch Welt, Fleisch
und Teufel, außer wenn man sich entschlossen und gesammelt
Gott zuwendet. Wenn ein Menschenleben in gesundem
Gleichgewicht verharren soll, muss regelloses Liebäugeln mit
materialistischen Gedankengängen abgestreift werden, zugunsten
der Suche nach einer persönlichen Gotteserkenntnis. Das ist
der Fels, auf dem man das Haus seines Lebens baut. Alles
andere ist Treibsand.
Echte Gottesverehrung befreit
einen Menschen von der Gebundenheit aller fleischlichen
Gelüste, bringt ihn vor das Antlitz Gottes und damit zu
geistlichen Freuden. Man beobachte, wie diese unschätzbare
Wahrheit durch das Predigen der Alleserlauber über den Vorrang
der Fleischeslust ausgehöhlt worden ist.
Die islamische Gottesanbetung
hat viele Ziele. Eines davon ist, den Vorhang der
Nicht-Achtung und der Unwissenheit zu zerreißen und so eine
machtvolle moralische und geistige Aufrüstung und grundlegende
Erneuerung einzuleiten.
Stahwood Cobb, ein
christlicher Gelehrter, vergleicht in seinem Buch „Der Gott
der beiden Ka’abas“ auf Seite 227 muslimische und christliche
Gottesverehrung so: „Ich durfte einmal in der Moschee Hagia
Sophia in Istanbul Zeuge eines Gebetsgottesdienstes sein. In
solchen Gottesdiensten spielen wiederholte Verbäugungen (Ruku’)
und Niederwerfen (Sudschud) als Begleitung für feststehende
Formen des Gebets und der Anbetung eine große Rolle. Ich war
tief beeindruckt von der Feierlichkeit, der Demut und der
Ehrfurcht der Anbetenden. In ihrer Aufrichtigkeit, der Tiefe
ihrer Übergabe und hingebungsvoller Selbstentäußerung vor dem
göttlichen Wesen übertraf es bei weitem alles, was ich je in
einer christlichen Kirche erlebt habe. Mit anderen Ausländern
hatte ich das Vorrecht, die Feierlichkeiten während der Nacht
der Allmacht (Lailat-ul-Qadr) zu beobachten, in welcher der
Qur’an dem Propheten Mohammed offenbart wurde. Von einem
Balkon in einer der Querverstrebungen der Kuppel blickten wir
auf die 5000 Verehrer hinab, welche die Hagia Sophia füllten,
wie sie ihre Ruku’s und Sudschuds in vollkommenen Einklang,
Rhythmus und Ordnung ausführten. Das Geraschel ihrer
Vorbeugungen bei den Knie- oder Fußfällen, das Klatschen ihrer
Hände, die sie vor sich auf den Boden legten, ihr gemeinsames
Aufrichten war wie ein tiefes, ruhiges Wogen von Verehrung,
das die weite Kuppel erfüllte und gen Himmel stieg. Der
Anblick war großartig, beispiellos; würdig, heilig, demütig,
ehrfürchtig, und bekundete dabei einen Sinn für individuelle
Freiheit, für Demokratie, für Gleichwertigkeit, die keine
Bevorzugung oder Benachteiligung von Menschen oder Klassen
zuließ: Ich sah einen wandernden Teppichverkäufer dicht bei
einem Pascha in prächtiger Gewandung, wie sie einträchtig,
ohne Gunst oder Furcht, abwechselnd standen, knieten, sich
niederwarfen in gemeinsamer Gottesverehrung. Beleibte
dunkelhäutige Neger waren Seite an Seite mit den schicksten
Türken von Istanbul mit der Befolgung ihrer religiösen Bräuche
beschäftigt. Der Islam hat von Anfang an einen Glauben der
Brüderlichkeit eingeschlagen und bis heute eingehalten.“
Der größte Irrturm der
westlichen Religion war der, den Glauben als eine private
Angelegenheit zu behandeln, der keine Beziehung zum täglichen
Leben hat. Dieser missverstandene Grundsatz hat seinen
Schatten über das gesamte Erscheinungsbild der westlichen
Gesellschaft geworfen. Innerer Schmutz, nationale Krisen,
Permissivität, Korruption sind alles Übel, die direkt der
Trennung der Religion vorn praktischen Leben entstammen. Daher
auch das Tauziehen zwischen inneren geistigen Werten und
äußerem Existenzkampf. Ein gesunder Glaube schreibt dem
Menschen einen Verhaltenskodex vor und zieht Leitlinien für
ihn, welche sich aufrede praktische Eventualität des Lebens
anwenden lassen.
Der Glaube formt Denken und
Handeln. Das Leben kann der formativen Wirkung echten Glaubens
nicht entgehen. Daher ist es einfach Sünde, die Religion vom
praktischen Leben zu trennen. Eine derartige Trennung läuft
dem Gesetz der Natur direkt zuwider. Wie Dampierre in seinem
Buch „Der Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion“
schreibt: „Konstantin dekretierte das Christentum zur
offiziellen Religion des Römischen Reiches; um es aber seinen
heidnischen Untertanen recht zu machen, gestattete er, viele
Sitten des früheren Heidentums dem Christentum
einzuverleiben.“ Das ist der Ursprung der Meinung, die im
religiösen Mittelalter vorherrschte, und in modernen
religionslosen Tagen immer noch vorherrscht: „Religion ist
eine Privatangelegenheit, die sich allein mit der Seele des
Einzelnen und mit ihrer Beziehung zu Gott beschäftigt.“