Mangelerscheinungen und fehlende Nächstenliebe
Täglich wachsenden Überfluss
und die technologische Revolution haben tiefe Spaltungen im
Leben der Menschen hervorgerufen. Ein Teil scheffelt
ungeheuere Dividenden aus Beteiligungen an Fonds, Kartellen
oder Gesellschaften und scheint alles haben zu können, was er
will und in solch unglaublichem Ausmaß, das sie ihren Hunden
und Katzen Luxusappartements einrichten. Viele andere kratzen
sich mühsam ihnen Lebensunterhalt zu einem Existenzminiraum
zusammen; sie können sich kaum das Notwendigste zum Leben
verschaffen.
Jeder Nachdenkliche fühlt
Gewissensbisse, wenn soziale Zustände heutzutage derart
verzweifelte Leiden überall in der Welt zulassen. Viel
Unglück, das in vergangener Zeit in sehr kurzer Zeit
gelindert worden wäre, eitert nun als unbehobene Tragödie
weiter. Kein Wunder, das ein grimmiger Hall gegen den
übermäßigen Reichtum die Herzen den Unterprivilegierten
befällt!
Die hochentwickelten Länder
unternehmen globale Anstrengungen, die wirtschaftliche Lage zu
verbessern; aber kein Vorteil für die Massen springt dabei
heraus; nein, es gereicht ärmeren Ländern sogar zum Nachteil
und zu weiterem Absinken. So wird die Kluft zwischen den
Klassen noch breiter. Viele Länder stöhnen unter Armut und
Hungersnöten.
In einem Artikel über
„Ernährung“ hebt das „Ferdosi Magazine“ vom 28. Juli 1948
folgende Punkte hervor:
1.
Die
unterentwickelten Länder zählen 2500 Millionen Einwohnen, von
denen 500 Millionen an Unterernährung leiden.
2.
1500
Millionen leiden an falscher Ernährung.
3.
Als
direkte oder indirekte Folge sterben jährlich 8 Millionen an
Hunger.
Allein in Brasilien sterben
jährlich 250.000 Kinder an Unterernährung. In Indien hält die
Kindersterblichkeit dem natürlichen Bevölkerungszuwachs die
Waage. Die Nahrungsmittel, welche eine amerikanische
Durchschnittsfamilie täglich fortwirft, würden eine indische
Durchschnittsfamilie 4 Tage lang ernähren.
Schlimmer noch: Einige
gewissenlose und frivole Personen verursachen künstliche
Verknappungen an Lebensmitteln, um die Preise zu erhöhen und
stecken sich das in die Tasche, wobei sie die Tatsache
übersehen, das diese Nahrungsmittel das Leben ungezahlter
Millionen verlängern könnten. Gäbe es Gesetze, die solch
unmenschliche und verschwenderische Hemmungslosigkeit
unterdrückten, würde der Hunger in der Welt rasch aufhören. So
schreibt die Zeitschrift „Enlightened Thought“ auf S. 719:
„1960 verschwanden 125 Millionen Tonnen Brotgetreide aus
amerikanischen Lagenhäusern. Sie hätten gereicht, um die Mägen
von mehr als 500 Millionen Indern ein Jahr lang zu füllen.
Amerika vernichtet Jahr für Jahr einen Großteil seiner Ernten,
nur um die Preise hochzuhalten. Kapitalistische Vorkehrungen
im Westen ließen die Hungersnöte überall in der Welt
absichtlich wachsen. Amerika füllt Silos und Lagerhäuser mit
Lebensmitteln. Dann zwingt es arme Länder, zum Schaden ihrer
Zahlungsbilanz teuer einzukaufen. Auf diese Weise häufen ein
paar eigennützige, machthungrige Personen Riesenvermögen an,
wobei sie sich eigentlich des Mordes an Millionen unschuldiger
Mitmenschen schuldig machen.“
Der Philosoph Bertrand
Russell schreibt: „Während der letzten 14 Jahre hat Amerika
4 Milliarden Dollar ausgegeben, um die Weizenüberschüsse der
Farmer aufzukaufen. Millionen Tonnen an Weizen, Gerste, Mais,
Käse, Butter häufen sich in amerikanischen Lagerhäusern und
verderben, bloß um die Preise auf dem Weltmarkt hochzuhalten;
heutzutage macht man Berge an Butter und Käse durch gewisse
Färbungen für den Verbrauch ungeeignet, damit der Preis für
Molkereiprodukte nicht fällt.“
Der Soziologe und Philosoph Stahwood
Cobb schreibt in seinem „Gott der beiden Ka’abas“ auf S.
145/46: „Der Zuwachs an Technologie, Industrie und
wissenschaftlichem Instrumentarium hat eine tiefere Einsicht
in unsere moralische Ärmlichkeit ermöglicht. Die
hochentwickelten Länder können sich keiner ethischen
Überlegenheit über die zurückgebliebenen rühmen. Unsere
moderne materialistische Zivilisation steckt voller
Widersprüche und Ungereimtheiten zwischen Worten und Taten,
Denken und Sprechen, Vernunft und Gefühl. Die materialistische
Kultur verkündet in ihnen verschiedenen Verlautbarungen die
theoretische Gleichheit aller Menschen, schafft in der Praxis
aber Voreingenommenheiten und Ungleichheiten im Bereich der
Ethik, des Verstandes, der Gesellschaft, des Geistes und der
Familie; sie rechtfertigt sogar diese Missstände fanatisch.
Die Demokratie erhebt den
Anspruch, die ,Regierung des Volkes durch das Volk für das
Volk’ zu sein. Sie ist bestenfalls eine Herrschaft der Wenigen
und verwandelt sich bald in die Diktatur eines Einzigen.
Sie beansprucht ,das größte
Glück der größten Zahl’ zu bezwecken; tatsächlich fördert sie
Ohnmachtgefühl, Versagen, Angst und Elend.
In ihrer Rhetorik entmutigt
sie den Altruismus und ein soziales Gewissen, aber die von ihn
betrieben Politik ist schrankenloser Eigennutz, ohne jede
Rücksicht auf das Schicksal anderer. Individuen und Gruppen,
die sich in den Weg stellen, werden rücksichtslos
niedergetrampelt. Unsere Zeit lässt alle anderen, die die
Geschichte kennt, an Ausbeutung, Gewinnsucht und Machthunger
hinter sich.“
In seiner „Soziologie“, S. 157,
schreibt Samuel König: „Die Industrieländer umfassen 25%
der Weltbevölkerung und besitzen 85% der Anlagevermögen, so
das 15% für die restlichen 75% der Menschheit übrig bleiben.
Wie die Zeit verstreicht, vergrößert sich nur der Abstand. In
den reichen Ländern selbst ist nur die Minderheit reich. Ein
US-Senatsausschuss von 1946 bestätigte, das 5% der großen
amerikanischen Industrieunternehmen 80% des Industriekapitals
besitzen, 60% aller Belegschaften kontrollieren und 80% alter
Gewinne aus der Industrie abschöpfen.“
Der Präsident der
UN-Weltorganisation „Landwirtschaft und Ackerbau“ sagt in
einem Artikel „Hungernde Menschen“ (von José de Castro, Nr. 8,
S. 24): „Heute haben zwei Drittel der Weltbevölkerung
dauernd Hunger und ungefähr 1500 Millionen leben auf
Existenzminimum, leiden also dauernd an diesem schrecklichsten
aller sozialer Übel.“