Revolution in der Kultur
Man kann keinen besseren
Beweis für die Leidenschaft des Islam zur Ausbreitung der
Belesenheit von seinen allerersten Anfängen an liefern, als
die Worte des Propheten selber, der nach der Schlacht von Badr
und dem Sieg der Muslime zu der riesigen Menge, die sie
gefangengenommen hatten, sagte, wenn einer von ihnen sich
loskaufen wolle, aber das Lösegeld dafür nicht habe, könnte en
seine Kenntnis des Lesens und Schreibens dafür verwenden, und
jeder schreibkundige Gefangene, der 10 Muslime das Lesen und
Schreiben beibringe, würde damit seine Freiheit gewinnen.
Seine Ankündigung wurde in die Praxis umgesetzt und so geschah
es, das eine große Zahl seiner ursprünglichen Anhänger sich
auf den Weg zur Bildung machte.
Sein Neffe und Nachfolger,
der Imam Ali, der gesegnet sei, erklärte, die Verbreitung von
Wissenschaft, Wissen, Kultur und geistiger Fähigkeiten sei
eines der Verdienste, die jede muslimische Regierung begehren
und erreichen sollte. Die Aufzeichnung seiner Worte, so wie
sie überliefert sind, lautet: „Leute! Ich habe Rechte über
Euch und Ihr habt Rechte über mich. Euer Recht über mich ist,
das Ihr darauf besteht, das ich Euch immer Führung und Rat
zuteil werden lasse und Euer Bestes suche, die öffentlichen
Mittel und Euren ganzen Lebensunterhalt verbessere und Euch
dabei helfe, aus Unwissenheit und Analphabetentum die Höhen
des Wissens, der Bildung, der Kultur, des sozialen Umgangs und
guter Führung zu erklimmen.“
215 Jahre nach der Hidschra
(Auswanderung d. Propheten) gründete der Abbasieten-Kalif
Ma’amoun ein „Haus der Weisheit“ in Bagdad als Mittelpunkt der
Wissenschaft und stattete es mit einem astronomischen
Observatorium und einer öffentlichen Bücherei aus, für die er
200 000 Dinar (das Äquivalent von rund 7 Millionen Dollar)
bereitstellte. Er versammelte eine große Zahl von Gelehrten,
die mit Fremdsprachen und verschiedenen Disziplinen vertraut
waren, wie Honain und Bakht-eeshoo’ und Ibn Tariq und Ibn
Muqafa’ und Hadschadsch bin Matar und Sirgis Ra’asi (sie alle
zu erwähnen ginge zu weit), bestimmte einen großen Betrag für
sie und sandte viele von ihnen in sämtliche Länder der Welt,
um Bücher über Medizin, Philosophie, Mathematik, Schöne
Literatur auf Hindu, Pahlevi, Chaldäisch, Syrisch, Griechisch,
Lateinisch und Farsi zu sammeln. Es heißt, das die
umfangreichen Sammlungen, die sie nach Bagdad sandten, über
hundert Kamelladungen umfassten!
Europa hatte in jenen
Jahrhunderten keine einzige Universität oder Kulturzentrum
aufzuweisen, als islamische Länder deren schon viele besaßen,
die mit Fachleuten und Spezialisten aus allen Zweigen der
Wissenschaft ausgestattet waren. Diese Zentren des Islam
fingen nun an, Wellen glanzvollen neuen Denkens in die Welt
auszustrahlen, genau in dem Augenblick, als die Kreuzzüge In
Gang gesetzt wurden. Ja, man könnte vielleicht sogar sagen,
das die neue, vom Islam geförderte Bildung selber den
Europäern einen Teil ihres neuen Denkens zur Verfügung
stellte, die jede Art von Tapferkeit, welche sie in jenen
verheerenden Kriegen bewiesen, ermöglichte und den Neid und
die Gier zur Leidenschaft anfachte, weil sie sich ja nun
dieser Schätze selbst bemächtigen wollten, die sie den Islam
den Völkern unter seiner Herrschaft bringen sahen.
Dr. Gustave Ie Bon schrieb
(5/329, Bd. III seiner „Geschichte der islamischen und
arabischen Kultur“): „In jenen Tagen, da Bücher und
Bibliotheken für die Europäer nichts bedeuteten, besaßen viele
islamische Länder Bücher und Bibliotheken in Mengen.
Tatsächlich befanden sich in Bagdads ,Haus der Weisheit’ 4
Millionen Bände, in der Bücherei des Sultans in Kairo 1
Million, in den Bibliothek von Tripolis (Syrien) 3 Millionen;
und dabei wurden in Spanien allein, soweit es unter
Muslim-Herrschaft stand, jährlich zwischen 70 000 und 80 000
Bände publiziert.“
G. I’Estrange in seiner
„Erbschaft des Islams“ schreibt unter 5/230: „Die
Universität Mustansariyya wurde mit einer Ausrüstung
ausgestattet und auf einem gewaltigen Gelände mit
College-Gebäuden mit derartiger Pracht erbaut, dass
ihresgleichen weder in der Welt der Muslime noch anderswo zu
finden ist. Seine vier Rechts-Kollegien, jedes mit 75
Studenten und einem Professor, der die Studenten gratis
unterrichtete, zahlten dem Professor ein Monatsgehalt, während
jeder der 300 Studenten monatlich einen Golddinar bekam; eine
College-Küche bereitete die täglichen Mahlzeiten. Ibn-el-Farat
berichtet, das die Bibliothek in vielen Bereichen der
Wissenschaft unschätzbare, einzigartige Bände enthielt, die
sich jeder Student ausleihen konnte. Schreibgeräte und Papier
standen für Notizen bereit, wenn es jemand wünschen sollte.
Die Universität besaß Hammams (Bäder) und Krankenquartiere.
Ihre Ärzte führten täglich eine Inspektion der Colleges durch
und schrieben Rezepte für jeden aus, der krank war. Die
Collagemagazine konnten die verordneten Arzneien sogleich
liefern. All dies zu Beginn des 13. Jh. n. Chr.!”
Dr. Max Meyerhof schreibt:
„In Istanbul besitzen die Moscheen zusammen mehr als 80
Bibliotheken mit Zehntausenden von Büchern und alten
Manuskripten. In Kairo, Damaskus, Mosul, Bagdad sowie in
iranischen und indischen Städten stehen andere große
Bibliotheken voller Kostbarkeiten. Ein richtiggehender
Katalog all dieser wertvollen Bände liegt zur Stunde noch
nicht komplett im Druck vor. Außerdem enthält die Bibliothek
des Escorial auf der iberischen Halbinsel eine riesige
Abteilung mit Büchern und Manuskripten, die von islamischen
Gelehrten des Westens verfasst wurden und die auch noch nicht
vollständig katalogisiert ist.“
Dr. Gustave Ie Bon schreibt
in seinem „Islamische und arabische Kultur“ (Seite 557/8):
„Die Muslime betrieben die Wissenschaften mit tiefem Eifer. In
jeder eroberten Stadt war ihre erste Handlung, eine Moschee
und danach ein Kolleg zu bauen. Dies führte in einer großen
Zahl von Stätten zur Errichtung majestätischer
wissenschaftlicher Institute. Benjamin Toole (gest. 1173 n.
Chr.) sagte, er habe in Alexandrien mehr als 20 Kollegien bei
der Arbeit gefunden. Bagdad, Kairo, Cordoba und andere Stätte
besaßen alle große Universitäten mit Laboratorien,
Observatorien, riesigen Büchereien und allen sonstigen
Erfordernissen für die Bewältigung geistiger Probleme. In
Andalusien allein gab es 70 öffentliche Bibliotheken. Die
Bibliothek Al-Hakems II. in Cordoba enthielt 600 000 Bände,
und 44 Bände waren vonnöten, um sie zu katalogisieren. Als
Karl der Gerechte vier Jahrhunderte später die Bibliothèque
Nationale von Paris gründete, konnte er gerade 900 Bände
zusammenbekommen, und das erst nach vieler Mühsal; ein Drittel
davon über Religion.“
Derselbe Autor fügt auf Seite
562 hinzu: „Die Muslime betrieben die Wissenschaft mit
besonderem Eifer, wo es auf Genauigkeit, Experimente und
weitblickende Entdeckungen mittels Hypothesen ankam, und
zugleich schufen sie Bücher, Abhandlungen und höhere Schulen,
die ihre geistige Überlegenheit in alle Winkel den Welt
ausstrahlten. Damit wiesen sie Europa die Straße für seine
Renaissance. Mit Recht also wird der Titel ,Europas Professor’
der neu erwachten Macht des Islam verliehen, denn durch die
Muslime wurden die Schätze alter griechischer und römischer
Weisheit wiederentdeckt, vermehrt und Europa zurückerstattet,
als es sich aus dem dunklen Mittelalter zu erheben begann.“
Josef Marc Kapp schreibt in
seinem Buch „Muslimischer Glanz in Spaniens“, S. 170, wo er
sich mit den ersten Jahrhunderten des kulturellen
Fortschritts beim Islam beschäftigt: „Selbst die untersten
Gesellschaftsschichten dürsteten danach, lesen zu lernen; und
schlichte Arbeiter gaben den letzten Sou, den sie an Nahrung
und Kleidung erübrigten, für Bücher aus. Ein Arbeiter brachte
eine solche Bücherei zusammen, das Gelehrte zu ihm strömten.
Freigelassene Sklaven und deren Kinder betraten die Reihen der
Gebildeten und Männer wie Vafyat-ul-A’iyan Ibn Khalkan legten
den Grund für große Fortschritte.“
Nehru schrieb in seinem Buch
„Ein Blick auf die Weltgeschichte“, S. 413, mit Bezug auf den
Nutzen, den der soziale Fortschritt und die Kulturrevolution
der Muslime in Andalusien brachte: „Córdoba hatte über eine
Million Einwohner, einen herrlichen öffentlichen Park von etwa
20 km Länge und Vorstädte, die sich über 40 km weit
erstreckten. Da standen 6.000 Paläste, Herrenhäuser, große
Häuser, 200.000 kleine, schöne Häuser, 70.000 Laden und kleine
Geschäfte, 300 Moscheen, 700 öffentliche Hammams mit kalten
und warmen Bädern. Es gab ungezählte Büchereien, deren
umfassendste und bedeutendste die königliche Bibliothek war,
welche 400 000 Bände enthielt. Die Universität war in ganz
Europa und in Westasien berühmt. Auch für die Armen wurden
Bildungsmöglichkeiten bereitgestellt. Tatsächlich schreibt
ein zeitgenössischer Historiker, das damals fast jedermann in
Spanien lesen und schreiben konnte, während im übrigen Europa,
dem christlichen, abgesehen von den Mönchen und Klerikern, die
in Ordenshäusern erzogen wurden, niemand, auch nicht der
höchste Adel, es für wert erachtete, auch nur den Versuch zu
machen, die Grundlagen des Lesens zu erlernen.“
Um diese Behauptung zu
illustrieren, füge ich acht extrem kurze Kapital hinzu, jedes
über einen anderen Wissenschafts- und Kulturbereich ;
besonders verpflichtet bin ich der „ Legancy of Islam“ von
Arnold und Guillaume (erschienen O.U.P.1931), auf die ich
jeden Leser verweise, der seine Kenntnisse erweitern möchte.