Bilden Muslime eine Parallelgesellschaft?
Einer
der am häufigsten geäußerten Vorwürfe gegen Muslime in
Deutschland, insbesondere gegen die sogenannten
“fundamentalistischen Islamisten“ ist die Behauptung, dass sie
eine Parallelgesellschaft gründen und darin leben würden. Das
setzt voraus, dass es eine “Hauptgesellschaft“ gibt, zu der
dann “parallel“ eine zweite Gesellschaft entsteht.
Unterstrichen wurde dieser Gedanke noch durch die damalige
sogenannte Leitkulturdiskussion.
Wer
aber definiert, welches die “Hauptgesellschaft“ ist, und
welche Gesellschaftsform nicht dazu gehört? Wer maßt sich an,
die Einen zur “Leitkultur“ zugehörig zu zählen und die Anderen
auszugrenzen? Liegt hier nicht eher eine verbale Ausgrenzung
als eine faktisch nachvollziehbare Argumentation vor?
Schon
in 2000 argumentierte Bernhard Santel vom Landeszentrum für
Zuwanderung: „Ich halte die These von der sogenannten
"Parallelgesellschaft", in der die ausländische Bevölkerung
angeblich zurückgezogen lebt, für falsch! Sicherlich gibt es
gerade in den urbanen Zentren Stadtteile mit überproportional
hohen Zuwandereranteilen. Die Gründe dafür haben aber weniger
mit einer absichtsvollen Distanzierung von der deutschen
Gesellschaft zu tun als vielmehr mit wirtschaftlichen
Erwägungen, etwa geringeren Mieten. Die Zahl der binationalen
Ehen ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, es
gibt immer mehr ausländische Unternehmer und Studenten,
ausländische Eltern wollen, dass ihre Kinder den Kindergarten
besuchen und in Schule und Beruf erfolgreich sind.“ (Das
Parlament Nr. 03 - 04 / 21. Januar 2000)
Und bei
den praktizierenden Muslimen kommen noch folgende Faktoren
hinzu. Es gibt eine nicht geringe Zahl von deutschen Muslimen,
die sich ganz bewusst selbst auch als Deutsche definieren. Sie
sind oft über alle möglichen Staatengrenzen hinweg verheiratet
und bestehen im Gegensatz zu einigen nationalistischen Kreisen
darauf, die deutsche Sprache bestmöglich zu beherrschen! Sie
schicken ihre Kinder auf deutsche Kindergärten und deutsche
Schulen, wobei ihnen vorgeworfen wird, dass sie einen
christlichen Kindergarten den unreligiösen Kindergärten
vorziehen. Sie bestehen auf einer guten Bildung und Ausbildung
und das äußere Merkmal dieser Entwicklung ist u.a. die
zunehmende Zahl von Kopftuch tragenden Studentinnen an
deutschen Hochschulen! Und zunehmend mehr Muslime – auch
solche, die man “Islamisten“ schimpft – dienen in der
Bundeswehr! Und uns ist kein einziger “Islamist“, der in
diesem Land beheimatet ist, bekannt, der es nicht als seine
Pflicht ansehen würde, Deutschland, welches ja seine Heimat
ist, nach Möglichkeit zu verteidigen, wenn es eines Tages
militärisch bedroht wäre! Denn die islamische Parole „Unterdrücke
nicht und lasse dich nicht unterdrücken“ gilt nicht nur
für die Einzelperson, sondern auch für die eigene Familie, die
eigene Nachbarschaft, den eigenen Stadtteil, die eigene Stadt
usw.
Die
spezielle muslimische Orientierung in begrenzten Bereichen
einzelner gesellschaftlicher Institution hat fast immer nur
einen rein praktischen Hintergrund. Eine Kopftuch tragende
Muslima geht nun einmal nur zu einer Friseurin, die darauf
achtet, dass der Frisierraum, in dem ihre Haare geschnitten
werden, von Männern nicht eingesehen werden kann. Da in der
Regel nur muslimische Friseurinnen auf derartige Details
achten, sind sie gezwungen, zu den muslimischen Friseurinnen
zu gehen. Eine nichtmuslimische Friseurin, die bei Bremen
solch eine Möglichkeit in ihrem Salon geschaffen hatte, konnte
sich durch Mundzumundpropaganda kaum noch vor muslimischen
Kunden retten. Ähnlich verhält es sich z.B. auch mit Ärzten
(insbesondere Frauenärztinnen), Sportvereinen (Stichwort:
gemeinsam nackt Duschen) und Metzgern (nach islamischem Ritus
geschlachtetes Fleisch). Eine deutsche Discountkette, die
zeitweilig nach islamischem Ritus geschlachtete Hähnchen
angeboten hat, ist sein gesamtes Sortiment innerhalb kürzester
Zeit los geworden. Eine (nichtmuslimische) Bank in Deutschland
hat gar einen Fond aufgelegt, der speziell die Wünsche von
Muslimen berücksichtigen (ohne Alkohol, Zinsgeschäfte usw.).
Obige
Beispiele verdeutlichen auch, dass eine Gesellschaft, die
versucht, alle seine eigenen Bürger zu integrieren (auch die
“Exoten“), sehr viel davon profitieren kann, menschlich wie
auch geschäftlich!
Das
Argument mit der Parallelgesellschaft dient bedauerlicherweise
zumeist selbst als Werkzeug zur Ausgrenzung. Und dieses
Werkzeug wird fast ausschließlich gegen Muslime eingesetzt,
obwohl es so viele unterschiedliche Lebensformen und
Überzeugungen in diesem Land gibt von Waldorfschülern über
Fußballfans, Grünalternativebionaturfreaks, sogenannte
Adelige, praktizierende jüdische und christliche Gruppen,
Burschenschaften bis hin zu Klosterbewohnern. Alle haben ihre
speziellen “Läden“, ihre speziellen Treffpunkte, ihre
speziellen Verhaltensformen, Riten und ihre speziellen Kreise.
Teilweise handelt es sich um eng begrenzte Zirkel, teilweise
sind sie eher offen. Nie aber kommen Politiker oder ihre
Hofjournalisten auf die Idee, diesen vorzuwerfen, eine
Parallelgesellschaft zu bilden. Welchen Sinn sollte es auch
haben, bei jeder Gemeinschaft, bei jedem Verein bei jeder
“Anomalie“, wobei das “Normale“ noch nicht klar definiert
wurde, von einer Parallelgesellschaft zu sprechen?
Ausgerechnet Politiker und Journalisten scheinen aber in eine
echte Parallelgesellschaft abgetaucht zu sein, denn so sehr,
wie sich diese beide Gruppen in den letzten Jahren vom Volk
und der Gesellschaft entfernt haben, so sehr stellen sie
selber eine erheblich größere Gefahr für die Zivilgesellschaft
dar, als Muslimas, die zu einer muslimischen Friseurin gehen.