Dialog ist trotz allem möglich

Das
Ende des Buches soll dem eigentlichen Ziel des Buches und
unserer Motivation – das Buch zu schreiben bzw. zu ergänzen
und neu aufzulegen – gewidmet werden. Denn trotz all der
Probleme und Schwierigkeiten, trotz dem Berg voller
Missverständnisse, trotz der scheinbar unüberbrückbaren
Hindernisse und so unterschiedlich erscheinenden
Weltanschauungen, haben wir immer noch die Hoffnung und
Überzeugung, dass ein konstruktiver – wenn auch kritischer –
Dialog möglich und nötig ist.
Während die vorliegende Neuauflage fertig
gestellt wird, wird im Dresdner Landgericht am 1.7.2009 eine
Frau von einem Fanatiker erstochen, weil sie Kopftuch trug und
Muslima ist. Sie ist wohl die erste Märtyrerin der zunehmenden
Islam-Hetze in Deutschland. Alle muslimischen Verbände in
Deutschland rufen, trotz Entsetzen und Verurteilung der Tat,
zur Besonnenheit und Vernunft auf. Es sind nicht die Muslime,
die die Tür zum Dialog verschließen und der Dialog ist möglich
und nötig!
Kein halbwegs vernünftiger Demokrat oder
“Demokratist“ wird von seinem System behaupten, dass es ideal,
fehlerlos und perfekt sei. Vielmehr streben die Demokraten
eine ständige Verbesserung ihres Systems an, wobei es Höhen
und Tiefen gibt. Kein halbwegs vernünftiger Muslim oder
“Islamist“ wird von seinem System (soweit es überhaupt
realisiert ist) behaupten, dass bisher auch nur ein Bruchteil
seiner Ideale darin verwirklicht wurde, aber auch sie streben
es an. Mein Bruder und ich kennen beide Systeme, wir kennen
die Vertreter beider Systeme und wir wissen, dass die
vernünftigen Menschen beider Systeme in ihren Gedanken gar
nicht so weit entfernt voneinander liegen, wie es den Anschein
haben mag. Das größte Problem der bestehenden Differenzen
liegt darin, dass die Systeme keinen intensiven Dialog
pflegen, möglicherweise auch aus der gegenseitigen Sorge
heraus, beim anderen etwas erkennen zu können, was dort besser
funktioniert. Wir sind der festen Überzeugung, dass ein
ideales demokratisches System und ein ideales islamisches
System gar nicht so fern voneinander liegen, und beim
Anstreben dieses jeweiligen Ideals Muslime und Demokraten viel
voneinander lernen und einander sogar ergänzen könnten. Das
aber ist nur mit gegenseitigem Respekt und gegenseitiger
Aufrichtigkeit möglich. Mag sein, dass wir als Muslime in
dieser Hinsicht einseitig urteilen, aber Letzteres vermissen
wir derzeit insbesondere bei den Vertretern der “freien
westlichen Welt“ als Vertreter der Demokratie.
Die Grundbehauptung der Demokratisten ist
„Alle Macht geht vom Volk aus“. Die Parole der
Islamisten ist: „Alle Gewalt geht von Gott aus“. Beides
scheint im Widerspruch zueinander zu stehen und oberflächlich
betrachtet, unvereinbar. Aber es gibt eine Basis der
Verständigung, und die heißt: “Gerechtigkeit“. Sobald es
gelingt, den übergroßen Götzen “Freiheit“ etwas hinter andere
mindestens genau so wichtige Werte zurücktreten zu lassen und
dem Begriff “Gerechtigkeit“ die notwendige Bedeutung zu geben,
werden die Vertreter beider Systeme feststellen, dass in
diesem Punkt eine Annäherung möglich ist. Denn schließlich
heißt es im deutschen Grundgesetz doch auch: „Im
Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen...“,
wobei Gott an erster Stelle genannt wird! Und dass
Gerechtigkeit vor der Freiheit kommt, haben auch wir als
Deutsche zu singen gelernt: „Einigkeit und Recht und
Freiheit sind des Glückes Unterpfand.“
Für eine gerechte Annäherung hat Europa
ein Potential an unzähligen gebildeten und aufrichtigen
Muslimen im eigenen Land, die zudem Staatsbürger der
jeweiligen Länder sind und sich dem jeweiligen Land als Heimat
verbunden fühlen. Es liegt an Europa, dieses Potential zum
eigenen Wohl zu nutzen. Wie heißt es doch in der Nationalhymne
eines europäischen Nachbarlandes: „Mutig in die neuen
Zeiten, Frei und gläubig sieh uns schreiten, Arbeitsfroh und
hoffnungsreich ...“.
Selbst, wenn die derzeitige Lage diesbezüglich noch so
hoffnungslos wirken sollte, und, selbst wenn sich fast jeder
Muslim in Deutschland derzeit mehr oder weniger ungerecht
behandelt fühlen sollte, es gibt immer eine Hoffnung, denn
Hoffnungslosigkeit ist keine Perspektive, weder für Muslime
noch für Nichtmuslime.