Grenzschutz in Sigmaringen
stolpert über Kopftuch
Was
zusammen gehört, wollte auch zusammen leben. Aber es dauerte
noch einige Monate, bis Fatima nach der Eheschließung zu mir
nach Clausthal-Zellerfeld ziehen konnte, um dann in Göttingen
Arabistik, Iranistik und Turkologie studieren zu können. Bis
dahin führten wir eine Wochenendehe mit gegenseitigen
Besuchen. Als ich einmal in Sigmaringen zu Besuch war, wurde
gerade ein Terroranschlag auf eine deutsche Disko verübt,
wobei öffentlich Libyen beschuldigt wurde, weshalb die
Sicherheitsbehörden in Deutschland nervöser waren als sonst,
auch wenn die damalige Nervosität nicht annähern mit der
heutigen Hysterie vergleichbar wäre. Am Bahnhof von
Sigmaringen wurden meine Frau und ich (sie mit Kopftuch, ich
mit Vollbart) vom Grenzschutz angehalten und nach unseren
Ausweisen gefragt. Da wir nur einen kleinen Ausflug machen
wollten, hatten wir unglücklicherweise nichts dabei. Meine
Frau wandte sich an die Beamten mit dem Hinweis: „Wir sind
doch Kollegen, ich arbeite beim Zoll“. Die Beamten, die
sich nunmehr völlig verschaukelt vorkamen, baten uns
mitzukommen. Ich konnte mir ein innerliches Schmunzeln kaum
verkneifen. Im Büro fragten sie meine Frau nach der
Dienststelle und riefen dort an. Der Beamte fragte am Telefon
völlig ungläubig: „Haben sie eine Mitarbeiterin mit
Kopftuch?“, als die Gegenseite offensichtlich bejahte,
ließen die verdutzten Beamten uns wieder gehen, ohne zu
prüfen, ob wir die richtige Identität hatten. Wie oft haben
wir uns auch später noch über Grenzbeamte amüsiert, die einen
deutschen Pass mit Kopftuch noch nie gesehen hatten? Einer
fragte sogar, ob meine Frau “Türkin“ geworden sei, obwohl er
ihren deutschen Ausweis in der Hand hielt. Diesbezüglich hat
sich zwar einiges geändert, aber die Probleme sind immer noch
vorhanden, wenn auch anders geartet.
Damals
hatten wir alle noch einen sehr “lockeren“ und ungezwungenen
Umgang mit unserer muslimischer Identität. Wir waren zwar
“Exoten“, aber schwimmt nicht gemäß einer alten indischen
Weisheit nur ein toter Fisch mit der Strömung? Ansonsten
betrachteten wir uns als dennoch integriert. Und wir konnten
uns damals auch gar nicht vorstellen, dass sich das jemals so
dramatisch ändern sollte. Während ich das schwierige Vordiplom
beendet und die gemeinsame Zeit mit meinem Bruder in Clausthal
genossen hatte, beendete er sein Studium und die Zeit zum
Abschied war gekommen.