Strafverfahren wegen Israelkritik
Eine
Kritik gegen Israel in Deutschland ist grundsätzlich mit einer
ganzen Reihe von Begleiterscheinungen verbunden, die man
bereit sein muss, auf sich zu nehmen, wenn man das
zionistische Unrecht anprangert. Während der “normale“
deutsche Kritiker in der Regel mit der Antisemitismus-Keule
ruhiggestellt werden kann, ist das bei einem eingebürgerten
Muslim wenig glaubhaft, denn der fühlt sich weder historisch
schuldig, noch unterstützt er überhaupt jegliche rassistische
Ideologie. Daher wurde meinem Bruder Yavuz für unsere
kritischen Veröffentlichungen im Internet gegen Israel mit
einigen Strafanzeigen wegen “Volksverhetzung“ überzogen, um
dann zumindest sagen zu können, dass gegen ihn ermittelt
wurde. Eine der Strafanzeigen stammte von einer den deutschen
Staatsanwaltschaften bekannten zionistischen Gruppe, die sich
auf Strafanzeigen gegen alle möglichen Internet-Kritiker
Israels spezialisiert hatte. Tatsache ist: Jeder Bundesbürger
kann überall und jederzeit eine Strafanzeige gegen einen
anderen Bürger aufgeben. Die zuständige Staatsanwaltschaft ist
dann verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Das
führte dazu, dass mein Bruder daraufhin zum dritten Mal
innerhalb von zwei Jahren zur Polizei gebeten wurde, dieses
Mal nicht ganz so freiwillig wie die vorherigen zwei Male.
Während mein Bruder in den freiwilligen Fällen bereitwillig
hingegangen ist und jegliche Kooperation angeboten hat, wurde
in diesen Fällen der eigene Anwalt eingeschaltet, und sie
haben schriftlich Stellung bezogen. Über ein Jahr wurde gegen
meinen Bruder ermittelt. Diejenigen, die meinem Bruder
nahestehen, haben sich geschworen, mit jeder neuen
Strafanzeige die Recherchen und Aktivitäten gegen das
zionistische Unrecht zu steigern, um seine persönlichen
Belastungen abzufedern. So entstanden nach der ersten
Strafanzeige die im Internet veröffentlichten Enthüllungen
über das Israelische Atomprogramm und vieles andere mehr. Der
damalige deutsche Innenminister listete bei vielen
Gelegenheiten als seinen “Erfolg“ auf, wie viele
Ermittlungsverfahren gegen “Islamisten“ seit dem 11. September
eingeleitet worden sind. Israel wird es ihm danken.
Die
Vorwürfe gegen mich stammten allesamt immer aus der gleichen
Richtung: Es ging um den “Schutz“ Israels. Ich hatte zum einen
kommentarlos eine Rede Imam Chamene’is in deutscher
Übersetzung veröffentlicht, in dem die Beziehung zwischen
Holocaust und Gründung Israels scharf attackiert wurde. Eine
Passage in der Rede wurde vom Staatsanwalt als “Verharmlosung“
des Holocaust gedeutet. Zum anderen hatte ich Fotos von der
Hitlerzeit – wie damals Juden drangsaliert wurden – ebenfalls
kommentarlos aktuellen Bildern aus Palästina gegenüber
gestellt.
Mitten in diese Zeit der
Ermittlungsverfahren rief uns ein angeblich saudischer Schiit
aus Saudi-Arabien an. In gutem Englisch mit arabischem Akzent
erläuterte er mir, dass er von meinen Schwierigkeiten gehört
habe und sie gerne Muslime in der ganzen Welt finanziell
unterstützen würden, die aufgrund ihres Glaubens in Bedrängnis
geraten wären. Er hätte von meinen Schwierigkeiten über eine
Berliner Moschee erfahren. Die ganze Geschichte stank förmlich
zum Himmel nach einer “Falle“ oder sonstiger dubioser
Machenschaft. Dankbar winkte ich am Telefon ab mit dem
Hinweis, dass ich ja schließlich nicht überprüfen könne, wer
er sei. So lukrativ das Angebot angesichts der
Rechtsanwaltskosten, die mir auferlegt wurden, war, so
deutlich war die Tatsache, dass es hier nicht mit rechten
Dingen zuging!
Nach einem Jahr Ermittlungen kam es zur
Anklage und Gerichtverfahren. Es endete nach einem halben Tag
Gerichtsverfahren Anfang 2004 vor dem Amtsgericht Delmenhorst
mit einem Schuldspruch gegen meine Person. Einziger Zeuge war
der für mich Zuständige “Kontaktbeamte“ Meyer, der einen
halben Tag im Gerichtsgebäude verbringen musste, um
auszusagen, dass ich jene Veröffentlichungen ins Internet
gestellt hatte. Solch eine merkwürdige Zeugenaussage habe ich
aus gleich zweierlei Hinsicht nie verstanden. Einerseits hatte
ich das nie bestritten, sondern selbst zugegeben, so dass es
solch einer “Bestätigung“ gar nicht bedurfte, und andererseits
mutete es merkwürdig an, dass ausgerechnet mein
“Kontaktbeamter“, den ich auch in Zukunft im Bedarfsfall
kontaktieren sollte, gegen mich auszusagen hatte.
Auch das Urteil war allein schon
deshalb so erstaunlich, weil es zwei sich widersprechende
Teile beinhaltete. Einerseits wurde ich verurteilt, den
Holocaust zu verharmlosen, andererseits wurde ich verurteilt,
die heutigen Verbrechen Israels mit dem Holocaust zu
vergleichen. Allein dieser Widerspruch war dem Richter nicht
aufgefallen. Mein damaliger Anwalt war fassungslos angesichts
des Schuldspruchs. Ich soll mit der Gegenüberstellung der
Bilder die damaligen Opfer zu heutigen Tätern gemacht haben.
Jahre später veröffentlichte der auch
in Deutschland bekannte Norman Finkelstein eine extreme
Bildergegenüberstellung im Internet, neben der meine damalige
Gegenüberstellung geradezu lächerlich wirkte. Und auf allen
Straßen Europas demonstrierten Bürger gegen den Gaza-Krieg,
wobei auf Plakaten darauf hingewiesen wurde, dass die
einstmaligen Opfer heute zu Tätern geworden seien. So etwas
aber wollte ich nie zum Ausdruck bringen, denn die damaligen
Opfer leben heute nicht mehr, die heutigen Täter sind damals
noch gar nicht geboren gewesen und Israel ist erst Jahre nach
dem Zweiten Weltkrieg gegründet worden. Doch gab es auch zur
Zeit des Verfahrens unbeanstandete deutsche Kritik an Israel.
Der Richter hätte einmal das Gedicht von Erich Fried lesen
sollen, welches er 1988 geschrieben hatte mit dem Titel “Ein
Jude an die zionistischen Kämpfer“. Auch daneben wirkte meine
Gegenüberstellung eher harmlos. Doch hier ging es darum, einen
“kleinen“ Muslim “fertig“ und den glaubhaften Antizionisten
mundtot im Keim zu ersticken.
Das Urteil lautete Freiheitsstrafe von
drei Monaten auf Bewährung. Damit sollte wohl auch vom
schweren Formfehler abgelenkt werden, den sich das Gericht
geleistet hatte, als es mir zuvor einen Strafbefehl in
gleicher Sache mit einer Geldstrafe zugesandt hatte, obwohl
die Mindeststrafe eben jene drei Monate waren. Ich hatte zuvor
jenen Strafbefehl genau so wenig akzeptiert, wie ich jetzt
dieses Urteil akzeptierte. Doch auch die mir gegenüber extrem
kritisch gesonnenen Medienvertreter bekamen aufgrund des
Verfahrensverlaufs und aufgrund der Fakten, die sie erfuhren
ihre ersten Zweifel, ob ich wirklich so “böse“ war, wie sie es
den Lesern vorstellten.
Die Angelegenheit wurde zum
Oberlandesgericht Oldenburg verwiesen. Mein damaliger Anwalt –
ein praktizierender Christ – hatte sich dermaßen über das
Urteil aufgeregt, dass er sich für die höhere Instanz die
Hilfe eines befreundeten Anwalts holte.
Es vergingen einige Monate, da riefen
mich beide Anwälte zu einem Gespräch ein. Der neue
“höherinstanzerfahrene“ Anwalt fragte mich in einer
ungewöhnlich geradezu übertrieben freundlichen Weise, ob ich
mir denn auch einen anderen Abschluss des Verfahrens
vorstellen könne, denn es gäbe Signale, einen “geeigneten“
Ausweg zu finden. Später erfuhr ich, dass alle davon
ausgegangen waren, dass ich ablehnen und auf meinem Recht
bestehen würde. Ich aber eröffnete meinen Anwälten, dass ich
bereit zu jedem Kompromiss war, wenn für Eingeweihte dadurch
klar werden würde, dass ich unschuldig bin. Man eröffnete mir,
dass mir zu jener Zeit ein Gehalt von 2500 EUR pro Monat
angerechnet werden würde und damit drei Monate 7500 EUR
entsprechen würden. Wenn ich also mit einem erheblich
niedrigeren Betrag an eine gemeinnützige Einrichtung
einverstanden wäre, würden Juristen wissen, dass man mich für
unschuldig einschätzt. Zudem könnte ich ja selbst einen
Vorschlag machen, wohin das Geld gehen könne, aber ich soll es
den Richtern und dem Staatsanwalt doch bitte nicht zu schwer
mit meinem Vorschlag machen.
Nach einer Bedenkzeit bot ich an 1000
EUR in drei Monatsraten an das nahe gelegene Kinderhospiz in
Syke zu überweisen. Richter und Staatsanwalt waren
einverstanden, und so erhielt ich zunächst die mündliche
Nachricht, dass eine “Einstellung des Verfahrens mit Auflagen“
anerkannt wurde.
Damit war das Verfahren zwar für das
Gericht beendet aber für mich gab es noch ein kleines
Nachspiel basierend auf meiner Unerfahrenheit. Um die
“Auflagen“ zu erfüllen, überwies ich die erste Rate noch bevor
ich eine Aufforderung dazu erzielt und bat das Kinderhospiz um
eine Spendenbescheinigung. Erst mehrere Wochen später kam die
schriftliche behördliche Aufforderung. Kurz darauf kam ein
ziemlich unhöflicher Brief vom Kinderhospiz, der mich darauf
hinwies, dass ich keinen Anspruch auf eine
Spendenbescheinigung hätte, denn ich würde ja nur die Auflagen
erfüllen. Daraufhin deklarierte ich die erste Rate doch zur
Spende und überwies den Auflagenbetrag erneut, so dass es für
mich etwas teurer wurde. Wahrscheinlich konnte sich der
Sachbearbeiter im Kinderhospiz nicht vorstellen, dass die
kleine Unterstützung von solch einem Typen stammt.
Das war aber nicht der letzte und der
größte Angriff gegen meine Person und den von mir
repräsentierten Antizionismus. Ein noch viel größerer Angriff
mit viel weiter reichenden Auswirkungen sollte Jahre später
noch folgen.