Gebrüder Özoguz

Wir sind (keine) “fundamentalistische Islamisten“ in Deutschland

Eine andere Perspektive

Dr. Yavuz Özoguz und Dr. Gürhan Özoguz

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Wir glauben an Adam und Eva

Eine weitere Besonderheit unseres “Fundamentalismus“ besteht in dem Glauben an die Abstammung von einer Urmutter und einem Urvater. Aber selbst wenn wir als Belege dazu zahlreiche seriöse wissenschaftliche Artikel aus so renommierten Zeitschriften wie “nature“ und “Spektrum der Wissenschaft“ auflisten würden, wären wir doch nur wieder mittelalterliche Leugner der Evolutionstheorie. Dass unser religiöses Bekenntnis aber nicht nur eine biologische, sondern auch bedeutsame politische Dimension hat, kann man an folgender Begebenheit erkennen. Dabei wird auch deutlich, wie extrem unterschiedlich die Wahrnehmung der Geschehnisse zwischen Muslimen und den hiesigen Medien sein kann.

Anfang der 80er Jahre überschwemmten muslimische “Religionsgelehrte“ Deutschland. Je nach Medien waren es angeblich bis zu einigen Tausend. Ich persönlich schätze die Zahl zwar geringer ein, aber wenn es nach den Medien ging, dann kamen sie nach Deutschland – zumeist mit saudischen Geldern – um die “Islamisierung“ der Muslime in Deutschland voranzutreiben. Und da die absolute Mehrheit der Muslime in Deutschland türkischstämmig war, kamen entsprechend auch viele türkischsprachige “Gelehrte“. Allerdings war eine Entsendung von “Gelehrten“ nach Deutschland aus muslimischer Sicht absolut unsinnig! Angeregt von den umwälzenden politischen und religiösen Entwicklungen in der Welt, waren viele Muslime ohnehin bereits von sich aus aktiv dabei, ihre Religion wieder zu entdecken und gemäß den Lebensumständen im Land bestmöglich zu praktizieren. Und es gab genügend vernünftige und engagierte Menschen im Land, die durch kleine Eigeninitiativen viel Gutes bewirken konnten. Für saudisch finanzierte “Gelehrte“ war wirklich kein Bedarf! Und bei näherem Hinsehen stellte sich auch immer sehr deutlich heraus, dass diese “Gelehrten“ nicht etwa – wie die Medien und wahrscheinlich auch Geheimdienste vermuteten – die Verbreitung des wieder erstarkenden Glaubens zum Ziel hatten, sondern genau das Gegenteil. Sie sollten die Gläubigen in eine Art Steinzeitreligion “leiten“, damit die Macht korrupter Könige und Prinzen in der muslimischen Welt im Interesse der USA nicht durch ein in der Welt zu starkes Wiedererwachen der Muslime gefährdet werden sollte! Die USA, welche seit der Wachablösung des britischen Imperialismus die korrupten Könige und Prinzen gehegt und gepflegt hatten, unterstützten diese zumeist spalterischen Bestrebungen.

Damals, jung und frisch wie wir waren, nahmen wir an vielen Wochenendveranstaltungen überall im Bundesgebiet teil und scheuten auch keine langen Anfahrten. Wir waren an einem kalten Frühjahrswochenende bei einer Veranstaltung deutschsprachiger Muslime in Aachen in der Bilal-Moschee. Unseren Büchertisch mit deutschsprachigen Schriften der revolutionären muslimischen Gelehrten (wie z.B. Imam Chomeini und Ayatollah Motahhari[1]) durften wir damals nur außerhalb der Moschee aufstellen. Und so froren wir am Büchertisch und unterhielten uns mit den vielen Interessenten, die aus der Moschee heraus an unseren Büchertisch kamen und wechselten uns dabei gegenseitig ab.

Als gerade ich Dienst hatte und der Büchertisch sehr gut besucht war, kam einer dieser bekannten “Gelehrten“ mit einer Art Eskorte von Anhängern an den Büchertisch und sprach mich in türkischer Sprache an, ob ich denn Türkisch verstehen würde. Als ich bejahte, schweifte sein Blick auf dem Büchertisch hin und her, und dann sagte er mir in einem sehr aggressiven und lauten Ton, so dass alle es hören sollten: „Wer seine Herkunft verleugnet, der gehört nicht zu uns“. Damit wollte er die unter Muslimen noch herrschenden Nationalgefühle anstacheln – da wir keinerlei türkische noch arabische Bücher auf dem Tisch hatten – und er wollte gleichzeitig Sympathien gegen uns und unseren Büchertisch wecken. Seine Eskorte schmunzelte fröhlich angesichts der Äußerung ihres “Vordenkers“. Ich versuchte ruhig und höflich zu bleiben und entgegnete: „Ich verleugne meine Herkunft nicht! Meine Herkunft ist von Adam und Eva, aber ich weiß nicht, woher Ihre Herkunft ist!“ Die Miene meines gegenüber verfinsterte sich in Sekundenschnelle, und seine Eskorte war auch nicht mehr amüsiert, denn jetzt standen sie inmitten all der vielen Zuhörer da, und ein einfaches religiös-politisches Konzept, an das die echten “Fundamentalisten“ glauben, geäußert von einem jungen Muslim, hatte sein ganzes Kartenhaus zusammenstürzen lassen. In seiner Unbeherrschtheit verpasste er mir vor allen Leuten eine Ohrfeige. Das Schlimmste dabei für ihn war aber, dass ich mich kein Stück rührte, kein Stück wehrte und lediglich ruhig stehen blieb. In Sekundenbruchteilen erinnerte ich mich – Gott sei Dank – daran, dass Selbstbeherrschung eine der Grundpflichten eines jeden Gläubigen ist. Seine Eskorte versuchte, den nun vor Wut die schlimmsten Schimpfworte herausposaunenden “Gelehrten“ zu mäßigen und von mir wegzuziehen, denn sie wussten, die ganze “Gelehrsamkeit“ ihres Möchtegern-Gelehrten war mit einem einzigen Satz entzaubert, und keiner der vielen Anwesenden würde jemals diesem Armseligen auch nur ein Wort mehr glauben.

Diese kleine Geschichte, die sich fast 20 Jahre vor dem 11. September 2001 ereignete, ist aber hilfreich, um zu verstehen, welche “Strömungen“ auf die Muslime in Deutschland und in der ganzen Welt einfließen sollten. Und es ist kein Zufall, dass damals wie heute die korruptesten, despotischsten und tyrannischsten Systeme in der muslimischen Welt samt ihrer Herrschercliquen und Helfershelfer, die aller engsten Verbündeten der USA sind, ja teilweise ausschließlich von den USA am Leben erhalten werden!

Das religiöse Bekenntnis zu Adam und Eva ist für jeden überzeugten Muslim gleichzeitig auch ein hochpolitisches, denn die Abstammung von einer Urmutter und einem Urvater manifestiert die Verbundenheit aller Menschen, die somit miteinander “verwandt“ sind. Daher sind alle Konzepte, welche diese Verwandtschaft durch Mauern oder Grenzen zu brechen versuchen, aus muslimischer Sicht zwangsläufig früher oder später immer zum Scheitern verurteilt.

[1] Später haben wir selbst einen Verlag gegründet, in dem die Schriften erschienen: www.mhaditec.de

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