Gedichte im Islam
Ghasel

von Baba Tahir aus seinen Vierzeilern, übersetzt von Georg Leon Leszczynski

Vor deinem Antlitz, das der Sonne gleich,
Bin eine Lilie ich, vor ihr verdorrt. –
Nicht Tubabaum, nicht Paradiesesreich
Noch alle Huris können, wenn du fort
Von mir, genug mir sein, ich wäre denn
Ein Ketzer. – Und obgleich ich Welle bin
Und in mir alles wogt, ich brenne, brenn’
Und glüh’ im Trennungsfeuer hin,
Dem Salamander gleich und gleich dem Vogel,
Der Kopf und Schwingen in der Glut verlor…
Der Liebe Palme brachte mir als Schatten
Das Leid und Sorgen nur als Frucht hervor.
So groß ist jetzt mein Kummer und mein Weh,
Du möchtest fast mich ohne Mutter glauben. –
Der Kerze gleich ich, magst du sie berauben
Auch hundertmal des Haupts, nur mehr denn je
Erwacht ihr Glanz und ihre heiße Glut…
Wenn außer dir noch mehr im Herz mir wohnen,
Will ich ein Ketzer sein, fürwahr! bei all
Den zweiundsiebzig Religionen. –
Von Ewigkeit her war stets „rein“ mein Same,
Drum ist seitdem "Baba Tahir" mein Name.

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