Gedichte im Islam
Der Gerber im Parfümbazar

von Dschalaleddin Rumi

Die Gier nach Weltgut gleicht dem Bade-Ofen,
durch den das Bad, die Frömmigkeit, erwärmt wird.
Des Frommen Anteil ist die Reinheit dann,
weil er im Bad ist und sich waschen kann.
Die Reichen sind wie die, so Brenn-Dung bringen,
damit den Bade-Ofen anzuheizen;
denn Gott hat ihnen Gier ins Herz gelegt,
damit das Bad schön warm wird und gepflegt.
Du lass den Ofen und geh rasch zum Bad!
Ihn zu verlassen, ist zum Bad der Pfad.
Wer nah dem Ofen ist, der ist ein Knecht
für den Geduldigen, klug und gerecht.
Denn wer ins Bad ging, dessen Zeichen Licht
wird klar vom Glanz auf seinem Angesicht.
Die Heizer haben gleichfalls ihre Zeichen
in Staub und Rauch, in Kleidung und dergleichen.

Siehst du die nicht, such den Geruch zu (luden -
Geruch ist ja ein Stock für jeden Blinden.
Und hat er keinen Duft, so lass ihn reden,
such sein Geheimnis aus der Worte Fäden!
Dann sagt er: «Bin ich nicht ein reicher Mann?
Denn zwanzig Kiepen schleppte ich schon an!»
Wie Feuer ist die Gier in dieser Welt
und jede Zunge öffnet hundert Münder.
Dem Klugen scheint das Gold so schlecht wie Mist,
ob auch durch Mist das Feuer leuchtend ist.
Die Sonne, stärker noch als jedes Feuer.
macht frischen Dung auch passend für das Feuer.
Die Sonne macht' zu Gold auch diesen Stein.
im Ofen «Gier» erglühen hundert Funken.
Wer sagt: «Ich habe so viel Geld gesammelt!..
das heißt: «Ich habe so viel Mist getragen.»
Doch ist dies Wort auch wirklich eine Schande -
für Ofenheizer ist es Ruhm und Ehre.
«Sechs Kiepen sammeltest du bis zur Nachl. -
ich aber habe zwanzig angebracht».
Wer nah dem Ofen wirkt, weiß nicht, was rein.
und Moschusduft verursacht ihm nur Pein.

Ohnmächtig fiel ein Mann hin ohne Leben,
als den Parfüm-Markt er betreten eben.
Der Dun, der dieses Marktes Straßen würzte,
schlug auf den Kopf ihn, dass er plötzlich stürzte.
Bewusstlos fiel er hin wie eine Leiche,
und lag den halben Tag in einer Gasse.
Die Leute eilten hin, um ihm zu helfen -
«Nur Gott hat Kraft», so riefen sie in Sorgen.
Der eine rieb das Herz ihm mit den Händen,
und Rosenwasser goss auf ihn ein andrer;
er wusste nicht, dass Grund für seine Ohnmacht
war, dass er an dem Rosenwasser roch.
Der rieb die Hände ihm und auch den Kopf,
der brachte Stroh und Gips als frisches Pflaster,
und Weihrauch mischt' mit Zucker noch ein andrer
und wieder einer lockert' ihm die Kleider;
der fühlte ihm den Puls, ob der wohl schlug,
und einer prüfte seinen Mundgeruch,
ob Wein er trank, ob Haschisch oder Hanf warum
er wohl bewusstlos sei, wer weiß?
«Da Hegt ein Mensch ganz elend so darnieder!»
Man wusste nicht: War es ein Schlaganfall?
Weshalb war die Geschichte nur passiert?
Der Mann, ein Gerber, hatte einen Bruder,
'nen kräft'gen, schlauen Kerl; der kam nun eilend;
ein bisschen Hundekot an seinem Ärmel
kam klagend er, sich durch die Menge drängend,
und sprach: «Ich weiß es wohl, was dem hier fehlt.»
Weißt du den Grund, so ist es leicht zu heilen,
doch kennt den Grund man nicht, dann ist es schwer-,
denn hundert Wege gibt's, ihn zu kurieren -
doch weißt den Grund du, ist es kein Problem.

Galen, so fährt Rumi fort, wusste, dass Gleiches mit Gleichem geheilt wird, und da der Ohnmächtige an Gestank gewöhnt ist, muss man ihn auch mit einsprechen dem üblen Geruch behandeln.

Mistkäfer er ward von dem Mistgestank -
solch einen Käfer macht Parfüm nur kränker!
So ist der Hundekot ihm Medizin,
weil er ihn kennt und ist gewöhnt an ihn!

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