Gedichte im Islam
Darius und der Hirt

von Saadi aus dem "Fruchtgarten". aus dem Persischen übersetzt von Otto Hauser

Ich hörte, Darius, der hochedle Spross,
Sah einst auf der Jagd sich getrennt von dem Tross.
Da eilte ein Hirte im Laufe heran.
Bei sich sprach Darius, der mildherz'ge Mann:
Das mag wohl ein Feind sein, er kommt nicht zum Heil;
Ich töt' ihn von fern mit dem Weißpappelpfeil.
Er legt' auf den fürstlichen Bogen den Schaft,
Im Augenblick hätt' er sein Leben entrafft.
Sprach jener: Oh Herrscher von Iran und Tur,
Der nie bösen Auges Bezaubrung erfuhr!
Ich bin's, der die Pferde des Königs betreut,
Und dort auf der Flur eben weid' ich sie heut.
Sogleich war der König da wieder bei Sinn;
Er lachte und sprach: Nun, das ging dir noch hin.
Wohl stand dir der Engel, der selige, bei,
Wenn das nicht, so gab ich die Senne schon frei.
Da sagte der Hirte und lächelte fein:
Man schließt guten Rat vor dem Freunde nicht ein.
Es gilt nicht als Einsicht und gut Regiment,
Wenn Freunde und Feinde ein König nicht kennt.
Denn das ist es, was dir die Herrschaft bewahrt:
Dass treulich du kennst jedes Niedrigen Art.
Du hast mich bei Hofe des mehrern gesehn,
Gefragt mich, wie Rosse und Weiden dir stehn;
Entgegen in Liebe dir kam ich auch hier,
Du aber, du sahst einen Böswicht in mir.
Oh ruhmvoller König, ich find - prob' es aus -
Ein Ross unter Tausenden sicher heraus.
Ich hüte die Herde mit Acht und Bedacht,
So halt' über deine ingleichen du Wacht!

Verloren gar bald ist der Thron und das Land,
Wo klüger der Hirt als der König sich fand.
Oh du, dessen Haupt, wenn ein Rechtsucher schreit,
Auf Schlafkissen ruht in Saturnhöhe weit!
Schlaf also, dass stets es erreiche dein Ohr,
Bringt je seine Klage ein Rechtsucher vor.
Wenn Unrecht geschieht, solang dein ist das Reich -
Wiss: jede Gewalttat ist deine zugleich.
Das Kleid nie zerriss einem Wandrer ein Hund,
Wo schlechte Dressur durch den Herrn nicht der Grund.

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