Der entlassene Diener
In dem
Gedicht über den Mystiker verdeutlicht Rückert die typische
Beziehung zwischen dem Knecht, dem Diener Gottes und seinem
Schöpfer, dem liebenden, der seinem Geschöpf jeden Wunsch
erfüllt. Führt allerdings ein Wunsch dazu, dass der Knecht
seine erhabene und hohe Stellung als Diener verliert, wird er
darauf hingewiesen. Die Kleidung als typischen Merkmal der
Sufis, der islamischen Mystiker, beschreitet in dem Gedicht
auch den gefährlichen Weg von der Bedürftigkeit zum Überfluss.
Somit endet das Gedicht mit dem Hinweis, dass man eben
entweder Gott oder aber der materiellen Welt dienen kann.
Halb nackt aus seiner Grotte
Ein Derwisch rief zu Gotte:
O Herr, dein Dienst ist schwer;
Ich wollte sonder Klagen
Und ohne Murren tragen,
Allein mich friert zu sehr.
Er schwieg in dumpfem Grimme,
Da hört’ er eine Stimme:
Mein Knecht, verlangst du mich?
Geh aus der Grott’ und wärme,
Dass dich der Frost nicht härme,
An meiner Sonne dich.
„Und kannst du mir nicht weben
Ein ander’ Kleid und geben
Als deiner Sonne Strahl?“
Die Stimme sprach: Ertrage
Den Mangel nur acht Tage,
So steht dir eins zur Wahl.
Als nun die achte zogen,
Kam ihm ein Kleid geflogen,
Doch alt war’s und zerfetzt.
„Hast du dich seit acht Tagen
Mit Schaffen wollen plagen,
Und schufest bis zuletzt?“
Wie trag’ ich Diener Gottes
Ein solches Kleid des Spottes,
Ein solch Gewand der Schmach,
Da dieser Erde Söhne
Gewänder tragen schöne?“
Die Stimme sprach:
Geh auf den Markt und wähle!
Es steht dir zu Befehle
Ein Kleid, das dir gefällt;
Doch rühme dich nicht weiter,
Mein Knecht zu sein und Streiter,
Du bist im Dienst der Welt.