Rückert

Rückerts Gedichte über den Islam

mit ausführlichen Erläuterungen von

Yavuz Özoguz

Inhaltsverzeichnis

Der entlassene Diener

In dem Gedicht über den Mystiker verdeutlicht Rückert die typische Beziehung zwischen dem Knecht, dem Diener Gottes und seinem Schöpfer, dem liebenden, der seinem Geschöpf jeden Wunsch erfüllt. Führt allerdings ein Wunsch dazu, dass der Knecht seine erhabene und hohe Stellung als Diener verliert, wird er darauf hingewiesen. Die Kleidung als typischen Merkmal der Sufis, der islamischen Mystiker, beschreitet in dem Gedicht auch den gefährlichen Weg von der Bedürftigkeit zum Überfluss. Somit endet das Gedicht mit dem Hinweis, dass man eben entweder Gott oder aber der materiellen Welt dienen kann.

Halb nackt aus seiner Grotte

Ein Derwisch rief zu Gotte:

O Herr, dein Dienst ist schwer;

Ich wollte sonder Klagen

Und ohne Murren tragen,

Allein mich friert zu sehr.

 

Er schwieg in dumpfem Grimme,

Da hört’ er eine Stimme:

Mein Knecht, verlangst du mich?

Geh aus der Grott’ und wärme,

Dass dich der Frost nicht härme,

An meiner Sonne dich.

 

„Und kannst du mir nicht weben

Ein ander’ Kleid und geben

Als deiner Sonne Strahl?“

Die Stimme sprach: Ertrage

Den Mangel nur acht Tage,

So steht dir eins zur Wahl.

 

Als nun die achte zogen,

Kam ihm ein Kleid geflogen,

Doch alt war’s und zerfetzt.

„Hast du dich seit acht Tagen

Mit Schaffen wollen plagen,

Und schufest bis zuletzt?“

 

Wie trag’ ich Diener Gottes

Ein solches Kleid des Spottes,

Ein solch Gewand der Schmach,

Da dieser Erde Söhne

Gewänder tragen schöne?“

Die Stimme sprach:

 

Geh auf den Markt und wähle!

Es steht dir zu Befehle

Ein Kleid, das dir gefällt;

Doch rühme dich nicht weiter,

Mein Knecht zu sein und Streiter,

Du bist im Dienst der Welt.

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